(M. Koch, Tokata-LPSG RheinMain)
Das Buch „Ein Leben für die Freiheit – Leonard Peltier und der indianische Widerstand“ beginnt mit einem Kapitel überschrieben mit „Indian wars aren´t over“, in dem die Völkermordgeschichte an den amerikanischen Ureinwohnern bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhundert beschrieben wird. Ein eigentliches Schlusskapitel gibt es nicht, denn die Genozid-, Ethnozid- und Ökozidgeschichte der Indigenen in Amerika geht weiter. In dem letzten Kapitel, überschrieben mit „Indian still aren´t over“ wird dargestellt, dass in den laufenden Auseinandersetzungen um Menschenrechte, soziale Kämpfe und Umwelt es von Alaska bis Feuerland Wasser es vor allem Protagonisten aus den indigenen Bewegungen sind, die durchi Entführung, Folter und Mord bedroht sind, das es wieder Indigene sind, die aus ihren Lebensorten vertrieben werden und die der Kontaminierung der Umwelt am unmittelbarsten ausgesetzt sind.
In Nordamerika standen in den vergangenen Jahren vor allem die Auseinandersetzungen um die Keystone XL Pipeline und um Fracking im Fokus von Protesten. Neue Widerstandsallianzen entstanden, teils humorvoll CIA abgekürzt – für Cowboy – Indian – Alliances. Doch aktuell besteht kaum mehr Anlass für humorvolle, augenzwinkernde Bezeichnungen. Die Lage eskaliert, denn mit der Dakota Access Oil Pipeline steht erneut ein Konflikt ins Haus, der die indigenen Rechte auf Souveränität ihrer Reservationen, auf Unversehrtheit ihrer heiligen Stätten und eine intakte Umwelt tangiert. Durch den Pipeline – Bau werden aus Sicht der Lakota u.a. immer noch gültige Verträge zwischen den indianischen Nationen und den USA (Fort Läremie 1851) gebrochen.
Erinnern wir uns an unsere Protestslogans beim ersten Golfkrieg: kein Blut für Öl, kein Krieg für Öl. Nun holen sich die USA diesen Krieg in ihr eigenes Land. Mit militärischer, barbarischer Härte stellen sich Polizei und Nationalguards gegen friedlich demonstrierende Natives und deren Unterstützer, die mittlerweile aus allen Teilen der Gesellschaft kommen. Denn Big Oil oder Black Gold, wie der Menominee-Musiker Wade Fernandez Öl in seinem Song kritisch bezeichnete, zerstört mit der Dakota Access Pipeline indigene Reservate, indigene Grabstätten und spirituell bedeutsame Orte und gefährdet darüber hinaus die Trinkwasserversorgung für mindestens 17 Millionen Menschen.
Einige Fakten:
Die Dakota Access Pipeline ist ein 2016 durch das US Army Corps of Engineers (USACE) genehmigtes 3,8 Mrd. Projekt der Energy Transfer Partner, finanziert von einem globalen Pool von Investoren und Banken, darunter sei auch eine AG der Deutschen Bank. Täglich sollen 470.000 Barrel gefracktes Öl von North Dakota, Bakken, über Süd Dakota, Iowa etc. nach nach Illinois gepumpt werden. Das Öl ist ein erhebliches Umweltrisiko für die Trinkwasserversorgung von mindestens 17 Mio. Menschen, die flussabwärts des Missouri leben. Die Pipeline kreuzt dabei 200 Wasserläufe, die für die Trinkwasserversorgung wichtig sind.
Gegen diesen Pipeline – Bau engagieren sich nicht nur Native Americans und Umweltschützer, der Protest bekommt gleichzeitig eine zunehmend kapitalismus- und globalisierungskritische Dimension. Dabei bezeichnen sich die indigenen Aktivist*innen weniger als Protesters sondern als Protectors, die ihre Rechte und die Umwelt verteidigen. Hierzu wurde u. a. Anfang April 2016 ein erstes Camp in Standing Rock ins Leben gerufen, in dem sich seit Monaten indigener Widerstand gegen diese Pipeline formiert. Weitere Camps entstanden außerhalb der Reservation. Mit Mitteln friedlichen Protests versuchen die Natives und deren Unterstützer der Zerstörung von Umwelt und Grabstätten sich entgegenzustellen. Ihre gefährlichsten Waffen waren dabei Trommeln, Salbei, Gesänge, Gebete und ihr Entschluss, dieser Pipeline nicht zu weichen. „Wir stehen für unser Land, wir stehen für unser Wasser – Wasser ist Leben, Wasser ist heilig – Mni Wiconi“! Das ist ihre Botschaft an die Welt. Kein Geld der Welt wird das wieder bringen können, was Profitgier einiger Weniger zerstört.
Als Bulldozer mit ihrem Zerstörungswerk begannen, indianische Grabstätten zerstörten und erste Tatsachen schafften, ketteten sich einzelne Aktivist*innen an Baumaschinen. Mit äußerster Brutalität gingen private Sicherheitsdienste gegen die Protectors vor: Pfefferspraay und Hundebisse verletzte viele Personen. Die Polizei nahm Anfang September erste Personen fest, darunter Amy Goodmann von Democracy Now, die die Zerstörungs- und Gewaltexzesse gefilmt hat. Ebenso die Filmemacherin Deia Schlosberg, die Protestaktionen filmte. Sie war anschließend für zwei Tage in Haft und soll nun wegen „Verschwörung zu Diebstahl und Sachbeschädigung“ angeklagt werden. Die Schauspielerin Shailene Woodley, bekannt aus dem Film SNOWDEN wurde wegen des Betretens eines privaten Grundstücks ebenfalls festgenommen. Sie musste sich wie viele andere Festgenommene vor der Polizei mit gespreizten Beinen ihre Körperöffnungen untersuchen lassen.
Vor dem Hintergrund, dass sich mittlerweile die größte pan-indigene Protestbewegung seit Jahrzehnten formiert, manchmal sind bis zu 7000 Menschen in den Camps, Vertreter von über 300 indianischen Nationen, aber auch von Indigenen aus Australien, Neuseeland, Hawaii etc. , vor der Anwachsenden Unterstützung des Protests durch Rock- und Hollywoodstars und der UN aus Genf, hat der Gouverneur von Nord Dakota Jack Dalrymple im September den Notstand ausgerufen und die Nationalgarde aktiviert.
Die Staatsgewalt agiert mit blindwütigem Polizeiterror: Einsatz von Kampfhunden, Pfefferspray aus Feuerlöschertanks, skrupellose private Security-Dienste, Einsatz von Unmengen an Nationalgarde-Soldaten in Kampfausrüstung, militärische Überwachungstechnik, Stingrays, Sonare Waffen, Schlagstöcke, Blendschock-Granaten, sogenannte nichttödliche Munition sprich Gummigeschosse, Tazer, Gewehre – auch auf Kinder und alte Menschen gerichtet, Straßenblockaden, um ihr Camp abzuschotten, Verbreitung von Falschdarstellungen in den Medien, konstante Bedrohung aller durch auf kein Recht gestützte Verhaftungen, psychologische Kriegsführung etc. . Mittlerweile wurden hunderte Menschen festgenommen. In den letzten Tagen eskalierte die Situation weiter. Betende Stammesvertreter, wie Casey Camp – Horinek, Mitglied des Stammesrats der Ponca, wurden während Gebetszeremonien eingekesselt und arrestiert.
Nein, Indian Wars aren´t over. Unterstützen wir daher unsere Brüder und Schwestern in Standing Rock. Tragen wir ihren Kampf in unsere Städte. Where is no justice, there is no peace.