USA: Langzeitstrafen, Alter und Gesundheit

Redebeitrag auf Free Mumia – Free Them All Demonstration am 24. April 2024

In den USA werden nicht nur horrend lange sondern i.d.R. auch flexible Haftstrafen erlassen. Gefangene sollen angehalten werden, sich möglichst allem zu unterwerfen, um eventuell etwas früher aus der Haft zu kommen. Sog. „Begnadigungsausschüsse“ bewerten nach Ablauf der Mindeststrafen den sog. „Resozialisierungsstand“ der jeweiligen Gefangenen und lehnen eine Entlassung in den meisten Fällen ab, auch wenn die/der Gefangene sich an alle auferlegten Regeln gehalten hat, einschließlich der Selbsterniedrigung und der verweigerten Solidarität mit Mitgefangenen.

Kämpfende Gefangene werden oft dazu angehalten, ihren Widerstand aufzugeben oder sich von ihren jeweiligen politischen Organisationen abzugrenzen. Das erlebten viele Gefangene aus der ehemaligen Black Panther Partei. Auch der Indigene Leonard Peltier hat bereits diverse dieser Anhörungen hinter sich, bei denen z.B. die Bundespolizei FBI regelmäßig mit der Feststellung intervenierte, dass „irgendwer ja für den Tod zweier FBI Beamten sitzen müsse“, auch wenn alle wissen, dass Peltier nicht der Mörder ist. Im Juni 2024 steht der nächste Bewährungsausschuß für den inzwischen fast 80-jährigen Leonard Peltier an. Unterstützer*innen arbeiten ähnlich wie bei Mumia daran, dass es dieses mal anders läuft und Peltier endlich frei kommt. Achtet auf Ankündigungen!

Durch die flexiblen Haftstrafen können geschulte und nahezu unbezahlte Arbeitskräfte für die Gefängnisindustrie in Haft gehalten werden. Das Multi-Milliarden-Dollar Geschäft der modernen Sklaverei in den USA erhält so u.a. durch die Begnadigungsausschüsse einem Anschein von „Rechtsstaatlichkeit“ aufrecht.

Die Praxis verweigerter Haftentlassung führte in den vergangenen Jahren dazu, dass in den Knästen der USA zunehmend Gefangene mit sehr hohem Alter und enormen Gesundheitsproblemen eingesperrt leben, für die es unter den Bedingungen der Gefangenschaft kaum ausreichende medizinische Versorgung gibt. Mumia Abu-Jamal stellte bereits 2012 kurz nach seiner Verlegung vom Todestrakt in ein Umschlußgefängnis erstaunt fest, dass die Sicherheitsschleusen und sonstigen Einrichtungen des Gefängnisses nicht rollstuhlgerecht seien, obwohl ca. 1/5 der Gefangenen im SCI Mahanoy altersbedingt gar nicht mehr in der Lage sind, eigenständig zu gehen.

Outgesourcte, komplett oder teilprivatisierte Gesundheitsversorgung sind eine weitere Profitnische der Gefängnisindustrie. Konzerne wie z.B. Corizon verdienen Milliarden daran, staatliche Gelder zu kassieren und möglichst wenig Leistung dafür an Gefangene weiter zu geben. Gefängnisbehörden und Gesetzgeber*innen in den Bundesstaaten unterstützen dies durch Richtlinien, die Gefangenen manchmal erst auf dem Totenbett dringend benötigte Medizin zuerkennt, was vorher wegen hoher Kosten meist verweigert wurde. Es gibt auch immer wieder Fälle, in denen Gefangene ohne Behandlung nach einer Phase der Kontaktsperre einfach tot in der Zelle „aufgefunden“ werden.

Für die gesundheitliche Versorgung von Mumia Abu-Jamal standen wir in den vergangenen Jahren auch schon einige Male hier. Der Journalist und Black Panther benötigt derzeit dringend Möglichkeiten, Bewegungsübungen zu machen und eine angemessene Ernährung, um die doppelte Herzbypass Operation von vor drei Jahren zu therapieren. Dazu läuft derzeit erneut eine Behörden Anruf/Fax & Mail Aktion. Erste Erfolge in Bezug auf benötigte Medikamente und Ernährung konnten bereits erreicht werden. Macht mit und haltet den Druck aufrecht. Alle notwendigen Informationen findet ihr auf der Webseite www.freiheit-fuer-mumia.de

Öffentlichkeit und Druck auf Behörden und Konzerne haben sich bereits im Kampf gegen die Todesstrafe in den USA als wichtigstes Mittel zur Unterstützung kämpfender Gefangenen erwiesen. Weitere Bereiche für Protest sind Gesetzgebung und Justiz, die noch immer Gebrauch machen von drakonisch langen Strafen bei vergleichsweise geringen Vergehen. Die Frage von Reform oder Befreiung ist eine, die sich nur mit der konsequenten Unterstützung der einzelnen Gefangenenkämpfe entscheidet.

Stellt Öffentlichkeit her!

Stellt euch gegen die gewinnorientierte Privatisierung des Strafvollzugs!

Unterstützt Mumia Abu-Jamal und andere kämpfende Gefangene in den USA in ihrem Kampf um Gesundheit und Freiheit!

Free Mumia – FREE THEM ALL!

Abschaffung der Todesstrafe – überall!

Redebeitrag auf Free Mumia – Free Them All Demonstration am 24. April 2024

Albert Camus verfasste bereits 1955 den Essay “Die Guillotine. Betrachtungen zur Todesstrafe“. Er setzt sich in dem Essay mit dem Argument auseinander, die Todesstrafe hätte eine abschreckende Wirkung. Er erhebt starken Zweifel an deren Abschreckungswirkung. Drei wesentliche Gegenargumente führte er hierbei an:

  1. Glaube die Gesellschaft selbst nicht an den Abschreckungseffekt.
  2. Gibt es keinen Beweis dafür, dass Menschen, die den Entschluss zum Morden gefasst haben, sich durch die drohende Todesstrafe von ihrem Vorhaben abbringen ließen.
  3. Ermögliche die Vollstreckung der Todesstrafe die Befriedung widerlicher Gelüste.

Die Todesstrafe ist keine Antwort auf Mord und brutale Gewalt. Wo sich der Staat zum Richter über Leben und Tod aufschwingt, nimmt nicht Gerechtigkeit ihren Lauf, sondern Rache und Vergeltung – und in vielen Fällen stehen hinter den Urteilen auch völlig andere Motive, z.B. politisch repressive, rassistische und klassistische Gründe zur Sicherung von Herrschaft.

Das viel bemühte autoritäre Argument, Angehörige von Mordopfern könnten so zu einem Abschluß ihrer Trauer kommen, ist viele Male widerlegt worden. In den vergangenen Jahren haben wir gerade in den USA gesehen, dass viele Angehörige sich gegen Hinrichtungen aussprechen und sich an die Seite der Gefangenen gestellt haben. Oft lautete ihr Ruf an den Staat: „Not in my name!

Die Todesstrafe ist in jedem Land, in dem sie angewandt wird, nichts anderes als ein Terrorinstrument gegen die eigene Bevölkerung. In den USA dient sie vor allem dazu, die aus der Sklaverei entstandene Vormachtstellung der weißen Bevölkerung zu sichern. Angeklagte mit geringem oder gar keinem Einkommen und Herkunft aus gesellschaftlichen Minderheiten sind völlig chancenlos. 2/3 aller Todestrakt Gefangenen in den USA sind People Of Color, obwohl sie insgesamt gerade einmal 20% der US Bevölkerung ausmachen.

Mumia Abu-Jamal fordert uns auf, uns Gedanken über den Zusammenhangvon Freiheit und Unfreiheit zu machen, über das Missverhältnis bei der Anwendung der Todesstrafe nachzudenken. Mumia hat immer wieder darauf hingewiesen, dass wir hier draußen in der sogenannten „freien Gesellschaft“ von dem System staatlicher Gewalt, das sich auf Einkerkerung und Todesstrafe zur Aufrechterhaltung der Herrschaft stützt, nicht unberührt bleiben. Der momentane autoritäre Sog fördert dabei die „niederen Gelüste“, von denen Camus bereits 1955 sprach: so entschied das Oberste Gericht des US Bundesstaates Arizona im Mai 2022, dass es legal sei, Gefangene auch mit Zyklon B in einer Gaskammer hinzurichten.

So kommt zu der Folter des Giftspritzencocktails, des elektrischen Stuhls und der Erschießungskomandos erneut eine Methode ins Spiel, mit der Nazi-Deutschland Millionen Jüdinnen und Juden, Sinti, Roma und Gegner*innen in Konzentrationslagern ermordet hat. Wir haben den weltweiten Aufschrei darüber im Sommer 2022 stark vermisst – und vermissen ihn bis heute.

Wir wissen, dass die Verbrechen des Kolonialismus überall auf der Welt lange Schatten werfen und die dort verübten Brutalitäten durch Erniedrigungen und Massenmord die Wege für die Verteilung des Reichtums von unten nach oben geebnet haben und dass dieser Zustand bis heute anhält. Der Kampf gegen die Todesstrafe und gegen die Hinrichtung einzelner Gefangener ist immer auch ein Kampf gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg, gegen all die Lügen, die wir uns täglich anhören müssen. Es ist der Kampf für Glück und Freiheit für alle. Das gilt in den USA genauso wie in China, Iran, Ägypten, Saudi-Arabien oder Japan, um nur einige der Henker*innenstaaten zu nennen.

Wir rufen euch daher auf, Gefangene in Todestrakten direkt zu unterstützen: lasst uns die z.B. die Hinrichtungen von Rodney Reed in Texas oder Keith Lamar in Ohio verhindern!

Keith Lamars Hinrichtung in Ohio wurde vor kurzem wg. Lieferschwierigkeiten der Hinrichtungspharmaka auf 2027 verschoben. Rodney Reed in Texas ist noch immer bedroht. Bei ihm sieht sogar alles danach aus, als ob die Polizei ihn damals wissentlich beschuldigte, um damit einen ihrer Kollegen zu schützen, der mit großer Wahrscheinlichkeit einen Mord begangen hat. Beide Exekutionen können mit entsprechendem Druck verhindert werden. Achtet auf Ankündigungen und tretet mit uns in Kontakt, wenn ihr dazu beitragen wollt.

Sklaverei und Lynchjustiz endgültig abschaffen!

Weg mit der Todesstrafe – überall!

Sklaverei und Widerstand in den USA

Redebeitrag auf der Free Mumia – Free Them All Demonstration am 24. April 2024

In bürgerlichen Geschichtsbüchern wird das Ende der Sklaverei in den USA auf 1865 datiert. Noch immer sind sich nur wenige bewusst, dass schon der damals erlassene 13. Verfassungszusatz zur Abschaffung der Sklaverei diese auch gleich wieder eingeführt hat. Allerdings sind versklavte Menschen seitdem nicht mehr Besitz von Privatleuten, sondern gehören dem Staat, der sich bis heute das Recht heraus nimmt, sie sämtlicher Grundrechte zu berauben, auszubeuten und zur Gewinnsteigerung an Konzerne zu vermieten.

Derzeit sind ca. 2,14 Millionen Menschen in den USA eingesperrt, weitere ca. 5 Millionen unterliegen staatlicher Aufsicht und haben so gut wie keine Bürgerinnenrechte mehr. Kein anderes Land der Erde kommt auch nur annähernd auf ähnlich hohe Inhaftierungsraten wie das sog. „Land Of The Free“ – das vermeintliche Land der Freien, wie sich die USA selbst gerne nennen. Beinahe alle Gefangenen haben keine finanziellen Mittel, um sich vor der Justiz angemessen zu verteidigen. Ca. 97% der jetzigen Gefangenen wurden sogar ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis gesteckt, weil sie durch „Plea Bargains“ oder „Three-Strikes“ Regeln eines Verfahrens beraubt wurden. Auffällig ist, dass der größte Teil der Gefangenen People Of Color sind, vorwiegend Afroamerikanerinnen, Hispanics, Asiat*innen und Indigene.

Ein treibender Faktor der Masseninhaftierung ist der ökonomische Anreiz zur beinahe kostenlosen Abschöpfung der Arbeitskraft dieser Gefangenen in der staatlich/privaten Gefängnisindustrie. Sie ist genau wie ihre Nachahmer*innen in Australien, Großbritannien oder der EU einer der wenigen sog. „Standortgaranten“ gegenüber der outgesourcten Billiglohn-Produktion.

Die Masseninhaftierung in den USA ist in ihrem Ausmaß derzeit beispiellos und nichts anderes als die Fortsetzung der Sklaverei unter anderem Namen. Innerhalb und außerhalb der Gefängnisse steigt der Widerstand gegen diese Rechtlosigkeit und eine Gesellschaft, in der Menschen ohne Teilhabe versklavt werden. Die US Gefängnisindustrie erwirtschaftet Milliardengewinne mit der Ausbeutung der Gefangenen. Jedoch sieht sie sich seit 2010 zahlreichen Streiks und Aktionen zur Abschaffung der Sklaverei gegenüber. In Kalifornien, Texas, Alabama, Georgia, Pennsylvania, New York – eigentlich überall beteiligten sich Zehntausende von Gefangenen an diversen Arbeitskampfformen. Seit 2016 ist die zentrale, us-weite Forderung von innerhalb der Gefängnisse die endgültige Abschaffung der Sklaverei.
Organisationen, Angehörige und lokale Bündnisse unterstützten diese Kämpfe von außerhalb der Gefängnisse. Große Medien berichten seit 2018 kaum noch darüber. Trotz dieser Missachtung durch die drei marktbeherrschenden Konzernmedien in den USA gelingt es den Gefangenen, sich Gehör zu verschaffen. Selbst konservative Politiker*innen kommen inzwischen nicht mehr umhin, sog. „Strafrechtsreformen“ anzumahnen und die Streichung diverser Bagatellvergehen aus dem Strafkatalog zu fordern.

Gefängnisse und Abschiebelager sind die Experimentierfelder staatlicher Unterdrückung. An den Kämpfen der Gefangenen – z.B. den USA – können wir zukünftige Arbeitskämpfe auch hier bereits jetzt erkennen. Wenn wir der gewinnorientierten Ausbeutung von Gefangenen, also der legalisierten Sklaverei entschlossenen Widerstand entgegensetzen, verteidigen wir dabei auch unsere eigenen Lebensumstände.

Ob die Sklaverei in den USA fällt oder dem Protest lediglich durch einige Reformen die Dringlichkeit genommen wird, liegt auch an der Bereitschaft von uns allen, die Kämpfe der Gefangenen zu unterstützen. Gefängnisabolitionismus ist ein Teil auf dem Weg zu einer befreiten Gesellschaft. Solidarität ist dabei unsere stärkste Waffe.


FREE THEM ALL!