gehalten auf der „Free Mumia – Free Them All!“ Demo am 9.12.2022 in Berlin
Albert Camus verfasste den Essay “Die Guillotine. Betrachtungen zur Todesstrafe“. Er setzt sich in dem Essay mit dem Argument, die Todesstrafe hätte eine abschreckende Wirkung, auseinander und erhebt starken Zweifel an deren Abschreckungswirkung. Drei wesentliche Gegenargumente führte er hierbei an:
- Glaube die Gesellschaft selbst nicht an den Abschreckungseffekt.
- Gibt es keinen Beweis dafür, dass Menschen, die den Entschluss zum Morden gefasst haben, sich durch die drohende Todesstrafe von ihrem Vorhaben abbringen ließen.
- Ermögliche die Vollstreckung der Todesstrafe die Befriedung widerlicher Gelüste.
Die Todesstrafe ist keine angemessene Antwort auf Mord und brutale Gewalt. Wo sich der Staat zum Richter über Leben und Tod aufschwingt, nimmt nicht Gerechtigkeit ihren Lauf, sondern Rache und Vergeltung – und in vielen Fällen trifft es auch komplett Unschuldige, meist aus repressiven, rassistischen und klassistischen Motiven zur Sicherung von Herrschaft.
Die Todesstrafe ist in jedem Land, in dem sie angewandt wird, nichts anderes als ein Terrorinstrument gegen die eigene Bevölkerung. In den USA dient sie vor allem dazu, die aus der Sklaverei entstandene Vormachtstellung der weißen Bevölkerung zu sichern. Angeklagte mit geringem oder gar keinem Einkommen und Herkunft aus gesellschaftlichen Minderheiten sind völlig chancenlos. 2/3 aller Todestrakt Gefangenen in den USA sind People Of Color, obwohl sie insgesamt nicht einmal 20% der US Bevölkerung ausmachen.
Das hat auch Amnesty International festgestellt und setzte 2016 zum Internationalen Tag gegen die Todesstrafe am 10. Oktober den Schwerpunkt auf den Zusammenhang von Todesstrafe und Armut. Ich zitiere Amnesty:
„Studien zeigen, dass Menschen aus benachteiligten sozioökonomischen Verhältnissen unverhältnismäßig oft mit der Strafjustiz in Berührung kommen und diejenigen sind, die am häufigsten zum Tode verurteilt werden.
Weiter können sich diese oft keine guten Rechtsanwält*innen zur Verteidigung gegen ihnen vorgeworfene Straftaten leisten. Ob und wie sich Menschen in dem Strafjustizsystem zurechtfinden, (…) wird auch dadurch beeinflusst, ob sie einflussreiche soziale Netzwerke (…) mobilisieren können oder nicht.
Strafrechtssysteme können auch die Vorurteile widerspiegeln, die eine Gesellschaft Menschen gegenüber hegt, die arm sind oder einem unterprivilegierten Milieu entstammen. Armut kann somit ein Schlüssel für die Verhängung der Todesstrafe sein. Wenn also der soziale Status eines Täters oder einer Täterin eine entscheidende Rolle bei der Verhängung von Todesurteilen spielen kann, muss man der Todesstrafe attestieren, dass sie in diskriminierender Weise eingesetzt wird. (…)Die Todesstrafe ist niemals die Lösung. Selbst wenn sich die Auswirkungen wirtschaftlicher Ungleichheit beseitigen ließen, würden in jedem System, in dem Menschen über Menschen zu Gericht sitzen, mögliche Fehlerquellen und Ungleichheiten fortbestehen. Eine fehlerhafte Entscheidung, die einem Menschen das Leben nimmt, kann nicht wieder rückgängig gemacht werden und ist daher nicht zu tolerieren.“ (Zitat Ende)
Dem können wir nur zustimmen, auch wenn wir anders als Amnesty International die Klassenjustiz eher beim Namen nennen. Mumia Abu-Jamal fordert uns immer wieder auf, uns Gedanken über den Zusammenhang von Freiheit und Unfreiheit zu machen, über das Missverhältnis bei der Anwendung der Todesstrafe nachzudenken. Mumia hat immer wieder darauf hingewiesen, dass wir hier draußen in der sogenannten „freien Welt“ von dem System staatlicher Gewalt, das sich auf Einkerkerung und Todesstrafe zur Aufrechterhaltung der Herrschaft stützt, nicht unberührt bleiben.
Wir alle wissen, dass uns der Kolonialismus untrennbar mit der gesamten Welt verbindet. Deshalb ist der Kampf gegen die Todesstrafe und gegen die Hinrichtung einzelner Gefangener immer auch ein Kampf gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg, gegen all die Lügen, die wir uns täglich anhören müssen. Es ist der Kampf für Glück und Freiheit für alle. Das gilt in den USA genauso wie in China, Iran, Ägypten, Saudi-Arabien oder Japan, um nur einige der Todesstrafenstaaten zu nennen.
Manche von euch werden es wissen: schon lange unterstützen wir neben Mumia Abu-Jamal auch andere Gefangene in den USA, die von der staatlichen Ermordung durch die Giftspritze bedroht sind. Verschiedentlich waren wir zu Notfallprotesten auf der Straße, so u.a. für Rodney Reed und Hank Skinner (beide aus dem Todestrakt in Texas) oder für Keith Lamar (Ohio). Allen drei Gefangenen droht 2023 erneut die Hinrichtung, obwohl ihre Verfahren bis heute große Ungereimtheiten aufweisen, die bei allen nahelegen, dass sie die ihn vorgeworfenen Taten gar nicht begangen haben. Bei Rodney Reed sieht sogar alles danach aus, als ob die Polizei ihn damals wissentlich beschuldigte, um damit einen ihrer Kollegen zu schützen, der mit großer Wahrscheinlichkeit einen Mord begangen hat. Hank Skinner und Keith Lamar haben bereits Hinrichtungstermine erhalten, der erste im September 2023 und der letztere im Oktober 2023. Alle diese Exekutionen können verhindert werden. Achtet auf Ankündigungen und tretet mit uns in Kontakt.
Sklaverei und Lynchjustiz endgültig abschaffen!
Weg mit der Todesstrafe – überall!