Redebeitrag „Sklaverei und Widerstand in den USA“

gehalten auf der „Free Mumia – Free Them All!“ Demo am 9.12.2022 in Berlin

In den Geschichtsbüchern wird behauptet, dass die Sklaverei 1865 abgeschafft wurde. Dadurch soll vermittelt werden, dass Ausbeutung der Vergangenheit angehört. Nur wenige sind sich bewusst, dass schon der damals erlassene 13. US Verfassungszusatz zur Abschaffung der Sklaverei diese auch gleich wieder eingeführte. Zitat aus dem XIII Zusatzartikel: “Weder Sklaverei noch Zwangsarbeit darf, außer als Strafe für ein Verbrechen, dessen die betroffene Person in einem ordentlichen Verfahren für schuldig befunden worden ist, in den Vereinigten Staaten oder in irgendeinem Gebiet unter ihrer Gesetzeshoheit bestehen.“ Neue Straftatbestände und ganze Strafkataloge, denen nur i.d.R. nur Arme und People Of Color unterliegen konnten, wurden daraufhin in den USA eingeführt. Allerdings sind versklavte Menschen seitdem nicht mehr Besitz von Privatleuten, sondern gehören dem Staat, der sich bis heute das Recht heraus nimmt, sie sämtlicher Grundrechte zu berauben, auszubeuten und zur Gewinnsteigerung an Konzerne zu vermieten.

Derzeit sind ca. 2,14 Millionen Menschen in den USA eingesperrt, weitere ca. 4,2 Millionen unterliegen staatlicher Aufsicht und haben fast keine Bürger*innenrechte mehr. Kein anderes Land der Erde kommt auch nur annähernd auf ähnlich hohe Inhaftierungsraten wie das sog. „Land Of The Free“ – das vermeintliche Land der Freien, wie sich die USA gerne selbst bezeichnen. Beinahe alle Gefangenen fehlen die finanziellen Mittel, um sich vor der Justiz zu verteidigen. 97% aller Gefangenen sind sogar ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis gesteckt worden. Sie wurden mit sog. „Schuldhandeln“ einfach dazu gezwungen, sich für irgend etwas schuldig zu bekennen, was vermeintlich „billiger“ als die eigentliche Anklage sei, ohne dass Schuldbeweise überhaupt verhandelt wurden. Auffällig ist, dass ein überproportional großer Teil der Gefangenen People Of Color sind, vorwiegend Afroamerikaner*innen, Hispanics, Asiat*innen und Indigene.

Ein treibender Faktor der Masseninhaftierung ist der ökonomische Anreiz zur beinahe kostenlosen Abschöpfung der Arbeitskraft dieser Gefangenen in der staatlich/privaten Gefängnisindustrie. Sie ist genau wie ihre Nachahmer*innen in Australien, Großbritannien oder der EU einer der wenigen sog. „Standortgaranten“ in der Billiglohn-Produktion. Die Haftdauer ist in den USA jedoch im Vergleich zu anderen konkurrierenden Ländern, extrem lang. Sehr schlecht sind auch die Lebensbedingungen innerhalb der Mauern, was ebenfalls an der Ökonomisierung von Gesundheitsfürsorge und Ernährung liegt.

Die Masseninhaftierung in den USA ist in ihrem Ausmaß derzeit beispiellos und nichts anderes als die Fortsetzung der Sklaverei unter anderem Namen. Innerhalb und außerhalb der Gefängnisse steigt der Widerstand gegen diese Rechtlosigkeit und eine Gesellschaft, in der die Unterschicht versklavt werden. Die US Gefängnisindustrie erwirtschaftet Milliardengewinne mit der Ausbeutung der Gefangenen. Jedoch sieht sie sich seit 2010 zahlreichen Streiks und Aktionen zur Abschaffung der Sklaverei gegenüber. In Kalifornien, Texas, Alabama, Georgia, Pennsylvania New York – eigentlich überall beteiligten sich Zehntausende von Gefangenen an diversen Arbeitskampfformen. Seit 2016 ist die zentrale, us-weite Forderunginnerhalb der Gefängnisse die Abschaffung der Sklaverei. Hunderte von Organisationen, Angehörige und lokale Bündnisse unterstützten diese Kämpfe inzwischen von außerhalb der Gefängnisse. Die meisten US Medien berichten allerdings seit 2018 kaum noch darüber.

Trotz Missachtung durch die marktbeherrschenden Konzernmedien gelingt es den Gefangenen, sich Gehör zu verschaffen. Selbst konservative Politiker*innen kommen inzwischen nicht mehr umhin, sog. „Strafrechtsreformen“ anzumahnen und die Streichung diverser Bagatellvergehen aus dem Strafkatalog zu fordern.

Trotz massiver Gewalt, jahrzehntelanger Isolationshaft und anderer menschenunwürdiger Behandlungen kämpfen die Gefangenen weiter.Ob die Sklaverei in den USA fällt oder dem Protest lediglich durch einige Reformen die Dringlichkeit genommen wird, liegt auch an der Bereitschaft von uns allen, die Kämpfe der Gefangenen zu unterstützen. Ihre Stimmen werden innerhalb der US Gefängnisse immer lauter. Aus Europa hören wir inzwischen hin und wieder ähnliche Forderungen, z.B. aus Belgien, Spanien oder auch Deutschland, wo Gefangene für einige Zeit sogar eine Gewerkschaft aufbauen konnten.

Gefängnisse und Abschiebelager sind die Experimentierfelder staatlicher Unterdrückung. Mit der Unterstützung und Verteidigung von Gefangenen setzen wir uns auch draußen für unsere eigenen Rechte ein. An den derzeitigen Kämpfen der Gefangenen – z.B. den USA – können wir die zukünftigen Arbeitskämpfe bereits jetzt erkennen. Wenn wir der gewinnorientierten Ausbeutung von Gefangenen, also der legalisierten Sklaverei entschlossenen Widerstand entgegensetzen, verteidigen wir dabei auch unsere Lebensumstände draußen.

Was wir der Berliner CIA-Zentrale heute von dieser Demonstration gerne für ihren Montagsbericht ans State Department in Washington DC mitgeben möchten, ist die Botschaft, dass wir wissen, was in den Gefängnissen der USA passiert und uns an die Seite aller derjenigen stellen, die aufgehört haben, Sklav*innen zu sein.

FREE THEM ALL!

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