Zur Situation in Standing Rock und den Protesten gegen die Dakota Access Oil Pipeline

(M. Koch, Tokata-LPSG RheinMain)

Das Buch „Ein Leben für die Freiheit – Leonard Peltier und der indianische Widerstand“ beginnt mit einem Kapitel überschrieben mit „Indian wars aren´t over“, in dem die Völkermordgeschichte an den amerikanischen Ureinwohnern bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhundert beschrieben wird. Ein eigentliches Schlusskapitel gibt es nicht, denn die Genozid-, Ethnozid- und Ökozidgeschichte der Indigenen in Amerika geht weiter. In dem letzten Kapitel, überschrieben mit „Indian still aren´t over“ wird dargestellt, dass in den laufenden Auseinandersetzungen um Menschenrechte, soziale Kämpfe und Umwelt es von Alaska bis Feuerland Wasser es vor allem Protagonisten aus den indigenen Bewegungen sind, die durchi Entführung, Folter und Mord bedroht sind, das es wieder Indigene sind, die aus ihren Lebensorten vertrieben werden und die der Kontaminierung der Umwelt am unmittelbarsten ausgesetzt sind.

In Nordamerika standen in den vergangenen Jahren vor allem die Auseinandersetzungen um die Keystone XL Pipeline und um Fracking im Fokus von Protesten. Neue Widerstandsallianzen entstanden, teils humorvoll CIA abgekürzt – für Cowboy – Indian – Alliances. Doch aktuell besteht kaum mehr Anlass für humorvolle, augenzwinkernde Bezeichnungen. Die Lage eskaliert, denn mit der Dakota Access Oil Pipeline steht erneut ein Konflikt ins Haus, der die indigenen Rechte auf Souveränität ihrer Reservationen, auf Unversehrtheit ihrer heiligen Stätten und eine intakte Umwelt tangiert. Durch den Pipeline – Bau werden aus Sicht der Lakota u.a. immer noch gültige Verträge zwischen den indianischen Nationen und den USA (Fort Läremie 1851) gebrochen.

Erinnern wir uns an unsere Protestslogans beim ersten Golfkrieg: kein Blut für Öl, kein Krieg für Öl. Nun holen sich die USA diesen Krieg in ihr eigenes Land. Mit militärischer, barbarischer Härte stellen sich Polizei und Nationalguards gegen friedlich demonstrierende Natives und deren Unterstützer, die mittlerweile aus allen Teilen der Gesellschaft kommen. Denn Big Oil oder Black Gold, wie der Menominee-Musiker Wade Fernandez Öl in seinem Song kritisch bezeichnete, zerstört mit der Dakota Access Pipeline indigene Reservate, indigene Grabstätten und spirituell bedeutsame Orte und gefährdet darüber hinaus die Trinkwasserversorgung für mindestens 17 Millionen Menschen.

Einige Fakten:

Die Dakota Access Pipeline ist ein 2016 durch das US Army Corps of Engineers (USACE) genehmigtes 3,8 Mrd. Projekt der Energy Transfer Partner, finanziert von einem globalen Pool von Investoren und Banken, darunter sei auch eine AG der Deutschen Bank. Täglich sollen 470.000 Barrel gefracktes Öl von North Dakota, Bakken, über Süd Dakota, Iowa etc. nach nach Illinois gepumpt werden. Das Öl ist ein erhebliches Umweltrisiko für die Trinkwasserversorgung von mindestens 17 Mio. Menschen, die flussabwärts des Missouri leben. Die Pipeline kreuzt dabei 200 Wasserläufe, die für die Trinkwasserversorgung wichtig sind.

No DAPL - Save the Water!

Gegen diesen Pipeline – Bau engagieren sich nicht nur Native Americans und Umweltschützer, der Protest bekommt gleichzeitig eine zunehmend kapitalismus- und globalisierungskritische Dimension. Dabei bezeichnen sich die indigenen Aktivist*innen weniger als Protesters sondern als Protectors, die ihre Rechte und die Umwelt verteidigen. Hierzu wurde u. a. Anfang April 2016 ein erstes Camp in Standing Rock ins Leben gerufen, in dem sich seit Monaten indigener Widerstand gegen diese Pipeline formiert. Weitere Camps entstanden außerhalb der Reservation. Mit Mitteln friedlichen Protests versuchen die Natives und deren Unterstützer der Zerstörung von Umwelt und Grabstätten sich entgegenzustellen. Ihre gefährlichsten Waffen waren dabei Trommeln, Salbei, Gesänge, Gebete und ihr Entschluss, dieser Pipeline nicht zu weichen. „Wir stehen für unser Land, wir stehen für unser Wasser – Wasser ist Leben, Wasser ist heilig – Mni Wiconi“! Das ist ihre Botschaft an die Welt. Kein Geld der Welt wird das wieder bringen können, was Profitgier einiger Weniger zerstört.

Als Bulldozer mit ihrem Zerstörungswerk begannen, indianische Grabstätten zerstörten und erste Tatsachen schafften, ketteten sich einzelne Aktivist*innen an Baumaschinen. Mit äußerster Brutalität gingen private Sicherheitsdienste gegen die Protectors vor: Pfefferspraay und Hundebisse verletzte viele Personen. Die Polizei nahm Anfang September erste Personen fest, darunter Amy Goodmann von Democracy Now, die die Zerstörungs- und Gewaltexzesse gefilmt hat. Ebenso die Filmemacherin Deia Schlosberg, die Protestaktionen filmte. Sie war anschließend für zwei Tage in Haft und soll nun wegen „Verschwörung zu Diebstahl und Sachbeschädigung“ angeklagt werden. Die Schauspielerin Shailene Woodley, bekannt aus dem Film SNOWDEN wurde wegen des Betretens eines privaten Grundstücks ebenfalls festgenommen. Sie musste sich wie viele andere Festgenommene vor der Polizei mit gespreizten Beinen ihre Körperöffnungen untersuchen lassen.

Vor dem Hintergrund, dass sich mittlerweile die größte pan-indigene Protestbewegung seit Jahrzehnten formiert, manchmal sind bis zu 7000 Menschen in den Camps, Vertreter von über 300 indianischen Nationen, aber auch von Indigenen aus Australien, Neuseeland, Hawaii etc. , vor der Anwachsenden Unterstützung des Protests durch Rock- und Hollywoodstars und der UN aus Genf, hat der Gouverneur von Nord Dakota Jack Dalrymple im September den Notstand ausgerufen und die Nationalgarde aktiviert.

We stand with Standing Rock

Die Staatsgewalt agiert mit blindwütigem Polizeiterror: Einsatz von Kampfhunden, Pfefferspray aus Feuerlöschertanks, skrupellose private Security-Dienste, Einsatz von Unmengen an Nationalgarde-Soldaten in Kampfausrüstung, militärische Überwachungstechnik, Stingrays, Sonare Waffen, Schlagstöcke, Blendschock-Granaten, sogenannte nichttödliche Munition sprich Gummigeschosse, Tazer, Gewehre – auch auf Kinder und alte Menschen gerichtet, Straßenblockaden, um ihr Camp abzuschotten, Verbreitung von Falschdarstellungen in den Medien, konstante Bedrohung aller durch auf kein Recht gestützte Verhaftungen, psychologische Kriegsführung etc. . Mittlerweile wurden hunderte Menschen festgenommen. In den letzten Tagen eskalierte die Situation weiter. Betende Stammesvertreter, wie Casey Camp – Horinek, Mitglied des Stammesrats der Ponca, wurden während Gebetszeremonien eingekesselt und arrestiert.

Nein, Indian Wars aren´t over. Unterstützen wir daher unsere Brüder und Schwestern in Standing Rock. Tragen wir ihren Kampf in unsere Städte. Where is no justice, there is no peace.

Grußbotschaft der Roten Hilfe Berlin

Die Rote Hilfe Berlin grüßt die Solikundgebung für Leonard Peltier und den Gefangenenstreik in den USA.

Der Fall von Peltier steht – neben dem von Mumia Abu-Jamal – wie kein Anderer exemplarisch für die Ungerechtigkeit und Scheinheiligkeit der politischen Justiz in den USA. Ebensowenig wie bei Mumia ist auch bei Peltier der Grund, dass er nach über vierzig Jahren immer noch dem unmenschlichen Gefängnisalltag ausgesetzt ist der, dass er irgendeine fadenscheinig begründete Strafe zu verbüßen hat. Der Grund ist – ebenso wie bei Mumia – vielmehr, dass er sich, wie vor vierzig Jahren, nach wie vor Tag für Tag für die Rechte und gegen die Diskriminierung und Verfolgung von People of Colour und der indigenen Bevölkerung einsetzt und für diesen Kampf seine Stimme erhebt. Weil er – ebenso wie Mumia – der rassistischen Fratze der bürgerlichen Gesellschaft den Spiegel vorhält, wurde er von ihren Kettenhunden in den Knast gesteckt. Weil weder Peltier, noch Mumia sich in all den Jahren von der Isolation und der alltäglichen Unterdrückung jeglicher Lebensgeister im Knast nicht haben brechen lassen, werden sie immer noch dort festgehalten.

Leonard Peltier - Clemency - Obama

Mensch muss aber nicht über den Atlantik schauen um Beispiele dafür zu finden, wie der bürgerliche Staat mit denjenigen Umgeht, die sich nicht seinen Regeln beugen wollen. Auch hier in Berlin werden Menschen wie Gülaferit Ünsal, Ali, Cem und Aaron gefangen gehalten, weil sie sich für eine bessere Welt einsetzen.

Im Fall von Aaron wird dabei noch versucht den politischen Charakter seiner Inhaftierung hinter einer vermeintlichen Auseinandersetzung mit dem hochgezüchteten Berliner Polizeiapparat zu verstecken.
Im Fall von Gülaferit Ünsal, Ali und Cem sind dank dem Terrorparagraphen 129b keine derartigen Vorwände nötig. In ihrem Fall ist schon die vermeintliche Mitgliedschaft in der BRD unbequemen Organisationen genug um sie für Jahre wegzusperren.

Solidarität mit Aaron und Balu

Ihnen und allen anderen Menschen, die für ihre politische Betätigung für eine freiere und gerechtere Welt von staatlicher Repression betroffen sind gilt unsere Solidarität, denn gemeint sind wir alle.

Wir fordern nach wie vor, Freiheit für Leonard Peltier!
Freiheit für Mumia- Abu Jamal, Gülaferit Ünsal, Ali, Cem Aaron und alle politischen Gefangenen!

RH - gegen Repression

Audio-Grußbotschaft des US Gefangenen Mumia Abu-Jamal an FREE THEM ALL in Berlin

mp3 Audio Aufruf von Mumia Abu-Jamal zur Kundgebung FREE THEM ALL am 29. Oktober 2016 in Berlin
Mumia Abu-Jamals calls out to join protest in Berlin on October 29, 2016

Hintergrund Informationen über den inhaftierten Journalisten Mumia Abu-Jamal bei FREE MUMIA Berlin

Redebeitrag über Sklaverei und Widerstand in den USA

Sklaverei und Widerstand in den USA
von FREE Mumia Berlin, Oktober 2016

In den Geschichtsbüchern wird das Ende der Sklaverei in den USA auf 1865 datiert. Nur wenige sind sich bewusst, dass schon der damals erlassene 13. Verfassungszusatz zur Abschaffung die Sklaverei auch gleich wieder eingeführt hat. Allerdings sind Menschen in den USA seitdem nicht mehr im Besitz von Privatleuten sondern gehören dem Staat, der sich ungebrochen bis heute das Recht heraus nimmt, sie sämtlicher Grundrechte zu berauben, sie auszubeuten und zur Gewinnsteigerung outzusourcen.

Derzeit sind in den USA knapp 2,3 Millionen Menschen eingesperrt, weitere ca. 4,2 Millionen unterliegen staatlicher Aufsicht und haben fast keine Bürgerrechte. Auffällig dabei ist, dass ein überproportional großer Teil davon People Of Color sind, vorwiegend Afroamerikaner*innen, Hispanics und Indigene. Kein anderes Land der Erde kommt auch nur annähernd auf ähnlich hohe Inhaftierungsraten wie das sog. sog. „Land Of The Free“. Beinahe allen Gefangenen gemeinsam ist, dass sie über keine eigenen finanziellen Mittel verfügen, um sich vor der Justiz zu verteidigen, die ca. 97% von ihnen sogar ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis gesteckt hat.

Ein treibender Faktor der Masseninhaftierung ist der ökonomische Anreiz zur beinahe kostenlosen Abschöpfung der Arbeitskraft dieser Gefangenen in der staatlich/privaten Gefängnisindustrie. Diese gehört zu den größten binnenwirtschaftlichen Konzerngebilden des Landes und ist genau wie ihre Nachahmer*innen in Australien, Großbritanien oder der EU einer der wenigen sog. „Standortgaranten“ in der Konkurrenz um Billiglohn-Produktion.

Die Masseninhaftierung in den USA ist in ihrem Ausmaß derzeit beispiellos und nichts anderes als die Fortsetzung der Sklaverei unter anderem Namen. Innerhalb und außerhalb der Gefängnisse steigt der Widerstand gegen diese Rechtslosigkeit und eine Gesellschaft, in der Menschen ohne materiellen Wohlstand versklavt werden. Ähnlich wie die Black Lives Matter Bewegung außerhalb der Gefängnisse sind es auch innerhalb der Knäste überwiegend People Of Color, die sich gegen die Gewalt der staatlichen Repression und Ausgrenzung wehren müssen. Die US Gefängnisindustrie erwirtschaftet Milliardengewinne mit der Ausbeutung der Gefangenen und sieht sich 2016 zahlreichen Streiks und Aktionen zur Abschaffung der Sklaverei gegenüber, wie z.B. seit dem Aktionstag am 9. September. An diesem Tag, dem 45. Jahrestag des Attica-Gefängnisaufstandes in New York beteiligten sich Zehntausende Gefangene in über 42 Gefängnissen an Arbeitsniederlegungen in 24 verschiedenen Bundesstaaten.

Der Streik dauerte in einigen Gefängnissen bis in den Oktober hinein an. Auch wenn die einzelnen Gefängnisbehörden nun einzelne Organisator*innen für Jahre in Isolationshaft geworfen haben, ist es den Gefangenen von innen heraus gelungen, der Kritik an der Ausbeutung und absoluten Rechtslosigkeit trotz Missachtung durch die marktbeherrschenden Konzernmedien landesweit Gehör zu verschaffen. Selbst konservative Politiker*innen kommen 2016 nicht mehr umhin, sog. „Strafrechtsreformen“ anzumahnen und die Streichung diverser Bagatellvergehen aus dem Strafkatalog zu fordern. Es scheint auch, dass die medialen Hetzkampagnen gegen das sog. Verbrechen immer häufiger das Gegenteil erreichen und die Revolverblätter und Fernsehsender als das gesehen werden, was sie sind: Werkzeuge der Reichen, um die Armen für die ihnen aufgezwungene Ausbeutung gefügig zu machen.

Ob die Sklaverei in den USA fällt oder dem Protest durch einige Reformen lediglich die Dringlichkeit genommen wird, liegt nicht zuletzt auch an der Bereitschaft aller Nichteingesperrten, die Kämpfe der Gefangenen zu unterstützen. Trotz massiver Gewalt, jahrzehntelanger Isolationshaft und anderer menschenunwürdiger Behandlungen haben Zehntausende von Gefangenen erklärt, Zitat „aufzuhören, Sklaven zu sein“. Ihre Stimmen werden innerhalb der US Gefängnisse immer lauter. Aus Europa hören wir inzwischen ähnliche Forderungen, z.B. aus Belgien, Spanien oder auch Deutschland, wo Gefangene im vergangenen Jahr sogar eine eigene Gewerkschaft aufbauen konnten.

Mit der Unterstützung und Verteigigung von Gefangenen setzen wir uns perspektivisch auch draußen für unsere eigenen Rechte ein. Sollte es nach den Herrschenden gehen, werden globale Handelsabkommen sämtliche erkämpften Menschenrechte als Hindernisse beiseite schieben. An den derzeitigen Kämpfen der Gefangenen in den USA können wir zukünftige Arbeits- und Existenzkämpfe bereits jetzt ablesen, wenn wir der gewinnorientierten Ausbeutung von Gefangenen, also der legalisierten Sklaverei nicht auch hier entschlossenen Widerstand entgegensetzen.

Wir werden heute hier vor der US Botschaft nicht fordern, die Sklaverei staatlicherseits abzuschaffen, denn diese gehört zu den Grundpfeilern des derzeit bestehenden Systems, der Demokratie der wenigen über die vielen. Was wir dem State Department und der CIA aber gerne für ihre Berichte mitgeben möchten, ist die Erkenntnis, dass wir wissen, was in den Gefängnissen passiert und uns an die Seite aller derjenigen in den USA stellen, die aufgehört haben, Sklav*innen zu sein.

FREE THEM ALL!

Free Leonard Peltier - FREE THEM ALL!

Redebeitrag über Langzeitgefangenschaft, Alter und Gesundheit im Knast

Langzeitstrafen, Alter und Knast
Von FREE MUMIA Berlin, Oktober 2016

In den USA werden nicht nur horrend lange sondern i.d.R. auch flexible Haftstrafen erlassen. Gefangene sollen angehalten werden, sich möglichst allem zu unterwerfen, um eventuell etwas früher aus der Haft zu kommen. Sog. „Begnadigungsausschüsse“ bewerten nach Ablauf der Mindeststrafen den sog. „Resozialisierungsstand“ der jeweiligen Gefangenen und lehnen eine Entlassung in den meisten Fällen ab, auch wenn die/der Gefangene sich an alle auferlegten Regeln gehalten hat, einschließlich der Selbsterniedrigung und der verweigerten Solidarität mit Mitgefangenen.

Kämpfende Gefangene werden oft dazu angehalten, ihren Widerstand aufzugeben oder sich von ihren jeweiligen politischen Organisationen abzugrenzen. Diese Farce spult sich in Pennsylvania z.B. jährlich bei den Bewährungsanhörungen der MOVE-9 Gefangenen ab, die zwar mustergültiges Verhalten und hohe Anerkennung sowohl der Behörden als auch der Mitgefangenen vorweisen können, sich aber weigern, ihre Trennung von MOVE zu erklären. Deswegen sitzen sie seit 1978 in Haft. Zwei von ihnen sind inzwischen bereits gestorben. Ähnliches erleben viele Gefangene aus der ehemaligen Black Panther Partei, wie z.B. Sundiata Acoli. Auch Leonard Peltier hat bereits diverse dieser Farce-Anhörungen hinter sich, bei denen z.B. die Bundespolizei FBI regelmäßig mit der Feststellung intervenierte, dass „irgendwer ja für den Tod zweier seiner Beamten sitzen müsse“, auch wenn nicht erwiesen sei, dass Peltier der behauptete Mörder sei.

Neben der politischen Repression gegen widerständige Gefangene kommt den flexiblen Haftstrafen jedoch ein weiterer Faktor zu: geschultes und gleichzeitig beinahe unbezahltes Personal wird nur ungern aus den Produktionsstätten der Gefängnisindustrie entlassen. Das Multi-Milliarden-Dollar Geschäft der modernen Sklaverei erhält also u.a. durch die Begnadigungsausschüsse einem Anschein von „Rechtsstaatlichkeit“ aufrecht.

Diese Praxis führte in den vergangenen Jahren dazu, dass in den Knästen der USA zunehmend Gefangene mit sehr hohem Alter und enormen Gesundheitsproblemen eingesperrt worden sind, für die es unter den Bedingungen der Gefangenschaft kaum ausreichende medizinische Versorgung gibt. Mumia Abu-Jamal stellte bereits 2012 kurz nach seiner Verlegung vom Todestrakt in ein Umschlussgefängnis erstaunt fest, dass die Schleusen und sonstigen Einrichtungen des Gefängnisses nicht rollstuhlgerecht seien, obwohl ca. 1/5 der Gefangenen im SCI Mahanoy altersbedingt gar nicht mehr in der Lage sind, eigenständig zu gehen.

Outgesourcte, komplett oder teilprivatisierte Gesundheitsversorgung ist eine weitere Profitnische der Gefängnisindustrie. Konzerne wie z.B. Corizon verdienen Milliarden daran, staatliche Gelder zu kassieren und möglichst wenig Leistung dafür an Gefangene weiter zu geben. Gefängnisbehörden und Gesetzgeber*innen in den Bundesstaaten unterstützen dies durch Richtlinien, die Gefangenen manchmal erst auf dem Totenbett dringend benötigte Medizin zuerkennt, was vorher wg. hoher Kosten meist verweigert wird. Derzeit bekanntestes Beispiel ist die skandalöse Haltung des US Bundesstaates Pennsylvania, der über 6000 an Hepatitis-C erkrankten Gefangenen mit dieser Argumentation die Behandlung verweigert und sie dadurch grausam zu Tode foltert. Mumia Abu-Jamal ist einer dieser Gefangenen. Seit 2015 verklagt er die Gefängnisbehörde und konnte vor kurzem einen ersten Teilerfolg verbuchen, als ein föderaler Bezirksrichter die grundsätzlich Praxis in Pennsylvania als verfassungswidrig einstufte. Mumia befindet sich derzeit in dem nächsten Stadium der Klage. Sollte er gewinnen, bedeutet dies nicht nur für ihn die dringend benötigte Medikation gegen Hepatitis-C, die bei ihm bereits die Leber bedroht. Auch alle anderen Gefangenen könnten sich dann darauf berufen und eine medizinische Versorgung einfordern.

Öffentlichkeit und Druck auf Behörden und Konzerne haben sich bereits im Kampf gegen die Todesstrafe in den USA als die wichtigsten Mittel zur Unterstützung kämpfender Gefangenen erwiesen. Weitere Bereiche für Protest sind Gesetzgebung und Justiz, die noch immer Gebrauch von drakonisch langen Strafen bei vergleichsweise bagatellisierten Vergehen machen. Die Frage von Reform oder Befreiung ist eine, die sich nur mit der konsequenten Unterstützung der einzelnen Gefangenenkämpfe entscheidet.


Stellt Öffentlichkeit her!

Stellt euch gegen die gewinnorientierte Privatisierung des Straffvollzugs – auch hier!

Unterstützt Mumia Abu-Jamal in seinem Kampf um medizinische Versorgung!

Übt Druck auf Tom Wolf, den Gouverneur von Pennsylvania und die Gefängnisbehörde aus!
Schreibt jetzt und hier Postkarten – und nehmt welche für Freund*innen und Freunde mit!


Free Mumia – FREE THEM ALL!

Solidarität mit den Gefangenenkämpfen in den USA

Grußbotschaft der Berliner Gefangenen Gülaferit Ünsal an die streikenden Gefangenen in den USA

Solidaritätsbotschaft an die streikenden Gefangenen in den USA
von Gülaferit Ünsal, politische Gefangene in der Berliner JVA Lichtenberg, September 2016

Ich grüße die 24.000 amerikanischen Gefangenen, die gegen Sklavenarbeit den größten Gefangenenstreik der US-Geschichte durchführen.

Sie wollen nicht wie Sklaven, sondern wie Menschen leben und eine menschliche Zukunft haben.

Sie wurden in Zellen gesperrt, weil sie ihre Rechte eingefordert, sich organisiert und Widerstand geleistet haben. Ihr Telefon- und Besuchsrecht wurde verboten. Sie wurden einer noch massiveren Isolation ausgesetzt. Einige Gefangene, von denen angenommen wurde, dass sie den Widerstand leiten, wurden in andere Gefängnisse zwangsverlegt.

Wir RevolutionärInnen kennen diese Angriffe nur zu gut. In den Gefängnissen der Türkei wurden unzählige Massaker durchgeführt, um zum US-Gefängnismodell überzugehen.

Genau aus diesem Grund haben wir mit dem Todesfasten gegen die F-Typ Gefängnisse sieben Jahre lang Widerstand geleistet. 122 Menschen sind gefallen.

In den USA gibt es 2,3 Mio. Gefangene. Die große Mehrzahl von ihnen muss für ein paar Cent die Stunde arbeiten.

In den deutschen Gefängnissen ist die Situation auch nicht ganz anders. Die Gefangenen werden als billige Arbeitskräfte ausgenutzt.

Die Gefängnisse in den USA bilden einen wichtigen Sektor innerhalb der kapitalistischen Ausbeutung. Das Zusammentreffen von massiver Isolation sowie harten und langen Haftstrafen mit der Zwangsarbeit hat die Gefangenen zu Sklaven des 21. Jahrhunderts werden lassen.

Während die USA weltweit imperialistische Kriege und Aggression organisiert, versklavt sie auf diese Weise ihre eigene Bevölkerung.

Auf den Straßen der USA wurden 2015 306 Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe von der Polizei ermordet.

Die USA gehört zu jenen Ländern, wo die meisten Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Und was sie der Welt als “Demokratie” verkaufen wollen, ist eine Riesenlüge.

Der US-Imperialismus hat bisher jeden und jede, die gegen kapitalistische Ausbeutung und Faschismus ist, als TerroristIn gebrandmarkt.

Genau aus diesem Grund gibt es in der Türkei tausende und in Europa und der BRD dutzende politische Gefangene aus der Türkei.

Wir leisten Widerstand gegen die § 129 a und b, gegen das Gefängnissystem amerikanischen Typs und gegen Isolationsbedingungen. Wir bezahlen einen hohen Preis.

Und weil wir diesen Preis zahlen, leben wir mit unserer Identität als politische Gefangene weiter.

Wir verstehen den Widerstand der amerikanischen Gefangenen nur zu gut.
Und wir rufen aus den deutschen Gefängnissen. Ihr werdet uns nicht zu einem Teil des imperialistisch-kapitalistischen Gefängnissystems machen können.

Wir werden mit unserem Widerstand und unserer Identität als politische Gefangene immer an der Seite der US-Gefangenen und der kämpfenden Gefangenen sein.

Die Sklavenketten können nur durch Widerstand zerbrochen werden. Die Kämpfenden gewinnen immer.

Nieder mit dem US-Imperialismus
Hoch die internationale Solidaritätsbotschaft

Gülaferit Ünsal
26.09.2016

Free Them ALL!

In den USA sind derzeit knapp 2,3 Millionen Menschen eingesperrt, weitere ca. 4,2 Millionen unterliegen staatlicher Aufsicht und haben zum Großteil keine Bürgerrechte mehr. Auffällig dabei ist, dass ein überproportional großer Teil der Gefangenen People Of Color sind, darunter viele Afroamerikaner*innen, Hispanics und Indigene. Beinahe allen Gefangenen gemeinsam ist, dass sie über keine eigenen finanziellen Mittel verfügen, um sich vor der Justiz angemssen zu verteidigen, die ca. 97% von ihnen ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis gesteckt hat.

Ein treibender Faktor bei der Masseninhaftierung in dem sog. „Land Of The Free“ ist dabei der ökonomische Anreiz zur beinahe kostenlosen Abschöpfung der Arbeitskraft dieser Gefangenen in der staatlich/privaten Gefängnisindustrie.

Die Masseninhaftierung in den USA ist in ihrem Ausmass derzeit beispiellos und nichts anderes als Fortsetzung der Sklaverei unter anderem Namen. Innerhalb und ausserhalb der Gefängnisse steigt der Widerstand gegen diese Rechtslosigkeit und eine Gesellschaft, in der Menschen ohne materiellen Wohlstand versklavt werden.

In Berlin hat sich das Bündnis FREE THEM ALL aus Gruppen und Einzelpersonen gebildet, welches die Kämpfe der Gefangenen und ihrer Angehörigen unterstützen möchte. Zu diesem Zweck führt FREE THEM ALL kurz vor den US Präsidentschaftswahlen am 29. Oktober eine Kundgebung vor der US Botschaft in Berlin durch.

Einer der Schwerpunkte wird dabei auf dem indigenen Gefangenen Leonard Peltier sowie der generellen Lebenssituation der Native Americans in den USA liegen. Weiter geht es um die Gefängnisindustrie und die gesundheitliche Versorgung von Langzeitgefangenen am Beispiel der Nichtversorgung von an Hepatitis-C Erkrankten im US Bundesstaat Pennsylvania, unter ihnen der Journalist Mumia Abu-Jamal.

Mumia selbst ruft ebenfalls zur Teilnahme an dieser Kundgebung auf:
Mumia Abu-Jamals calls out to join protest in Berlin on October 29, 2016

Neben Mumia werden weitere Gefangene angefragt, sich mit Grußbotschaften an der Kundgebung zu beteiligen. Live Musik und weitere Beiträge über Frauen im Knast, Solidaritätsarbeit mit Gefangenen und aktuelle europäische Beispiele von Widerstand gegen die Gefängnisindustrie sind ebenfalls geplant.

Free Leonard Peltier – Free Them ALL!