Mumia Abu-Jamal über Trumps Amerika: „Babylon ist in ernsten Schwierigkeiten“

In der US Musikzeitschrift Rolling Stone interviewte Dave Zirin am 17. Juni 2025 den seit 1981 (!) in Pennsylvania inhaftierten Journalisten Mumia Abu-Jamal. In dem ausführlichen Interview sprachen sie über Trumps Amerika, den rechten Putsch und den aktuellen Zusammenschluss des Staates mit einzelnen Konzernen. Nun liegt dieses Interview in deutscher Übersetzung vom Team Abu-Jamal, Heidelberg/Berlin vor.

Quelle im englischen Original

Exklusivbericht
Mumia Abu-Jamal über Trumps Amerika: „Babylon ist in ernsten Schwierigkeiten“

Der ehemalige Black Panther wurde 1982 wegen Mordes an einem Polizisten in Philadelphia zum Tode verurteilt. Seine Freilassung ist für Musiker*innen heute kein prominentes Anliegen mehr – aber er verfolgt immer noch, was in der Welt geschieht.


von Dave Zirin, 17. Juni 2025


Sieben Minuten om idyllischen Molly Maguire Historical Park in Frackville, Pennsylvania entfernt liegt die die Staatliche Strafvollzugsanstalt SCI Mahanoy. Hinter den öde-grauen Betonmauern und Stacheldraht befindet sich, in einer Situation, die er als „Leben mit einem Todesurteil in Zeitlupe“ beschreibt, der Gefangene AM 8335, Mumia Abu-Jamal. Abu-Jamal war einmal Mittelpunkt einer internationalen Kampagne; er verbrachte beinahe drei Jahrzehnte im Todestrakt Pennsylvanias, von wo aus er auf seiner Unschuld beharrte und Millionen zu der Forderung nach seiner Freilassung inspirierte. Heute, mehr als 40 Jahre, nachdem er für den Mord an dem Polizeibeamten Daniel Faulkner verurteilt wurde, bleiben er und sein Fall ein heißes Eisen in der Politik Philadelphias. Der Polizeiverband Fraternal Order of Police hat sich jahrzehntelang erst für die Hinrichtung Abu-Jamals und dann für die Fortsetzung seiner Inhaftierung stark gemacht, weil er einen der ihren getötet haben soll. Amnesty International bezieht keine Stellung zu seiner Schuld oder Unschuld, kam aber zu der Feststellung, sein Verfahren sei durch polizeiliches, staatsanwaltliches und richterliches Fehlverhalten charakterisiert gewesen. 2011 wurde sein Todesurteil aufgehoben und der Bezirksstaatsanwalt Philadelphias beschloss, von seiner Durchführung abzusehen und sich mit einem Urteil von Lebenslänglich ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung zufriedenzugeben. Abu-Jamal ist jetzt 71 und mit der Dringlichkeit bevorstehender Hinrichtungstermine hat sich auch die Zahl derer, die für seine Freilassung demonstrieren, verringert. Aber auch, wenn wir ihm keine Aufmerksamkeit schenken, können wir uns darauf verlassen, dass er uns sehr wohl beobachtet. „Es gibt da dieses Gefühl einer großen Unordnung, dass alles ziemlich aus der Bahn geraten ist“, meint er. „Babylon steckt in echten Schwierigkeiten.


Mumia Abu-Jamal spricht mit einer direkten, ruhigen Dringlichkeit und hat viel zu sagen über den Niedergang der Rechtsstaatlichkeit, die Heucheleien der Verfassung und den langen politischen Weg, der uns in die gegenwärtige Krise geführt hat. Bevor er im Todestrakt landete, war Abu-Jamal als junger Mann eine führende Person bei den Black Panthers in Philadelphia und später ein preisgekrönter Reporter für National Public Radio (NPR), der über Kultur, Wohnprobleme und Musik berichtete. Er war gerade Präsident der Philadelphia Association of Black Journalists gewesen und hatte eine hoffnungsvolle Zukunft vor sich. Genau das machte Abu-Jamals Verhaftung wegen der Ermordung des Polizeibeamten Faulkner so merkwürdig und schwer zu glauben.


Im Prozess behauptete die Anklage, Faulkner habe Abu-Jamals Bruder William Cook an den Straßenrand gewinkt und Abu-Jamal, der damals auch als Taxifahrer arbeitete, sei zufällig vorbeigekommen und habe ebenfalls angehalten. Nachdem es, wie die Polizei und einige weitere Zeugen der Anklage berichteten, zu einer physischen Auseinandersetzung kam, rannte Abu-Jamal laut der Staatsanwaltschaft über die Straße, feuerte dabei ein Waffe ab und tötete Faulkner, während er selbst durch eine Kugel in die Brust verletzt wurde. Die Staatsanwaltschaft legte dem Gericht Beispiele für politische Äußerungen Abu-Jamals aus seiner Zeit als Panther vor, die ihrer Meinung nach seine feindselige Haltung gegenüber gegenüber der Polizei belegten. Abu-Jamal hat immer darauf bestanden, dass er ein politischer Gefangener ist, der sich aufgrund einer reaktionären Kampagne von Polizei und Staatsanwaltschaft gegen radikale Kräfte in Philadelphia hinter Gittern befindet. Sein Verfahren und seine zahlreichen Berufungsversuche waren haben nicht dazu geführt, dass er frei kam, selbst wenn sich neue Augenzeugen meldeten, die der Tatversion der Polizei widersprachen.


Als 1995 und 1999 zwei Hinrichtungstermine immer näher rückten, wurde der Fall Abu-Jamals zu einem zentralen Anliegen der Musik-Community. Rage Against The Machine, die Beastie Boys, KRS-One, Anti-Flag und viele andere produzierten Singles oder gaben Konzerte, mit denen sie sich für seine Freilassung einsetzten. Aber nachdem er zu einem „Lebenslänglichen“ ohne einen Hinrichtungstermin wurde, verschwand sein Fall weitgehend aus der Öffentlichkeit. Aber selbst wenn die Rufe „Freiheit für Mumia“ leiser geworden sind, weiß er die Unterstützung, die er immer noch genießt, zu schätzen. „Ich höre immer noch von vielen Leuten und ich bin weiter froh über jeden einzelnen Rap, jedes einzelne Wort“, sagt er.


Abu-Jamal ist laut eigener Auskunft ein „Geschichts-Freak“ und C-Span-Junkie“ und hat im Gefängnis 15 Bücher geschrieben oder herausgegeben, darunter den jüngst erschienenen Band Beneath The Mountain: An Anti-Prison Reader, der bei City Lights erschien. Derzeit legt er letzte Hand an eine Doktorarbeit an der University of California Santa Cruz (UCSC) über den höchst einflussreichen Arzt und Revolutionär Frantz Fanon an. Hier haben wir jemanden, der nicht nur über die hässlichsten Seiten unseres Landes schreibt, sondern sie auch jeden Tag erlebt. Mumia und ich als Journalist von Rolling Stone haben uns persönlich in Frackville getroffen und diese Konversation wurde dann durch ein auf Band aufgenommenen Telefongespräch ergänzt. Ich hatte ihn vor 15 Jahren schon einmal interviewt, aber jetzt, angesichts des derzeitigen politischen Aufruhrs, steht noch wesentlich mehr auf dem Spiel, diskutierten wir doch, ob der vielbeschworene „Weg zum Faschismus“ schon an sein Ziel gekommen ist.

Frage: Wie sieht dein Leben in einer Situation aus, die du als „Todesstrafe in Zeitlupe“ bezeichnet hast?

Es ist sicherlich ruhiger, aber auch auf sehr persönliche Arten intensiver. Ich habe den größten Teil meines Lebens im Todestrakt verbracht, und der Todestrakt war mein Zuhause. Er war außerdem mein Büro. Er war ein Ort, an dem ich unablässig arbeitete, indem ich las und studierte. Ich erinnere mich, dass ich zeitweise zwei Bücher am Tag las, und das dann über Wochen und Monate. Nicht wegen des Bildungsprogramms eines Colleges, sondern aus Neugier und weil ich wissen wollte, wie die Welt organisiert war und die Freiheit hatte, zu studieren und die Antwort auf einige dieser Fragen zu finden. Nichts macht den Geist konzentrierter als der Tod und wenn man im Todestrakt ist, kann man dahin reisen, wo der eigene Geist ist: Wenn ich im Todestrakt las, befand ich mich in anderen Ländern und anderen Epochen. Was die jetzige Zeit betrifft, ist der Todestrakt in Zeitlupe immer noch ein Todestrakt. Es ist kein Ort, wo es Licht am Ende des Tunnels gibt, sondern nur noch mehr von diesem Tunnel und noch mehr Dunkelheit. (Lacht.) Es ist eine lang ersehnte Freude, seine Kinder zu umarmen und seine Frau zu umarmen und Freunde zu umarmen und mit ihnen zu reden, besonders nach 29 Jahren ohne Körperkontakt, aber es ist immer noch ein Leben in einem Käfig und das ist keine Art zu leben.

Frage: Wie verstehst du das, was du sich derzeit politisch außerhalb der Gefängnismauern abspielen siehst?

Es ist schwer, sich die Welt von heute zu betrachten und nicht das Gefühl eines tiefgreifenden Chaos zu empfinden, das einen jeden Tag erfasst. Das liegt zum Teil daran, dass das, wofür dieses Land sich entschieden hat, eine Art von Politik des Wahnsinns, der Niedertracht und – entschuldige, wenn ich das sage, aber ich bin zutiefst davon überzeugt – eine Art von Massenignoranz ist, die man nicht übersehen kann. Das ist das Wesen dieser Sache. Es ist ein außergewöhnlicher und schreckenerregender Moment.

Frage: Trump sagt, er wisse nicht, ober er mit der Verfassung übereinstimmt, und als gegeben angenommene fundamentale Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, ein fairer Prozess oder eine Jury von Gleichgestellten scheinen jetzt zu Opfern seines Justizministeriums zu werden.

Die Wahrheit in dieser Sache ist, dass es schon immer diese Rhetorik über einen ordentlichen Prozess, das Recht auf eine Jury von Gleichgestellten und andere von der Verfassung garantierte Rechte gab. Aber es kommt nicht darauf an, was die Verfassung sagt, sondern darauf, was in der Praxis stattfindet. Es gibt die Rhetorik und es gibt die Realität, diese beide Ströme fließen nur selten zusammen. Wenn ich etwas von Rechtsstaatlichkeit höre, denke ich automatisch nicht an mich und meinen Fall zurück, sondern an Fred Hampton, den ehemaligen Vorsitzenden der Chicagoer Ortsgruppe der Black Panther Party, der vom Staat in seinem Bett getötet wurde, nur weil er ein Panther war. Das war am 4. Dezember 1969. Ich spreche hier als jemand, der nicht nur Artikel darüber gelesen hat. Ich war einer von vier Panthers aus Philadelphia, die sofort, nachdem wir von seiner Ermordung gehört hatten, nach Chicago fuhren, und wir standen nur Stunden nach der Hinrichtung Fred Hamptons in diesem Haus. Wir standen nur einen halben Meter von seiner blutdurchtränkten Matratze und nicht weit von der Tür entfernt, die wie ein Schweizer Käse aussah, weil das Feuer aus automatischen Waffen sie in den frühen Morgenstunden zersiebt hatte. Rechtsstaatlichkeit, von wegen.

Frage: Wir outsourcen jetzt auch Gefangene, die ohne Verfahren auf unbegrenzte Zeit festgehalten werden, an ein Arbeitslager in El Salvador, das von Geo Group gebaut wird.

Es ist die Ausdehnung eines gefängnisindustriellen Komplexes, der sich nicht damit zufriedengibt, in unseren eigenen Grenzen zu verbleiben, auf den Rest der Welt. Wir sehen jetzt außerdem, wie leicht es ist, diese privaten Gefängnisse in Orte der Repression, der Folter und des Todes umzufunktionieren. Diese Gefängnisse, die Aktien an der New Yorker Börse verkaufen, sind die neuen Pioniere dessen, was man früher black sites genannt hat. Black sites waren von der CIA betriebene Geheimgefängnisse. Wir wussten nie, wo sie sich befanden, weil sie nie in den Nachrichten auftauchten und wir sagten: „Reden wir doch mal darüber, wo die black sites sind.“ Jetzt trompeten wir es hinaus und sagen: „Wir werden da drüben ein Gefängnis aufmachen. Und da noch und da noch.“ Das ist wirklich die Privatisierung von Gefängnissen in durchgedrehter und weltweiter Form. Man denke an die Leute aus Deutschland und Südafrika, die vor etwa einem Jahrhundert in die Vereinigten Staaten kamen, um das Jim-Crow-System zu studieren, damit sie ihr eigenes System rassistischer Ungleichheit und Unterdrückung perfektionieren konnten. Die USA sind ein Exporteur von Ketten.

Frage: Die Brutalität Trumps hat man in den letzten Jahren oft auch bei von Bürgermeister*innen der Demokraten befohlenen Angriffen auf Protestierende von Occupy Wall Street, Protestierende von Black Lives Matter, Protestierende gegen Cop City gesehen.

Auch hier kommt es wieder nicht darauf an, was die Verfassung sagt, sondern was die verfassungsmäßige Praxis ist. Heute ist der 40. Jahrestag der Bombardierung von MOVE in Philadelphia. Es war das Büro eines liberalen Bürgermeisters der Demokraten in Philadelphia, das ein Haus mit Männern, Frauen, Kindern und Tieren bombardieren und mehrere Häuserblocks abbrennen ließ und der Feuerwehr befahl, das Wasser abzustellen. Und sie tat es. Elf Menschen, darunter fünf Kinder, starben durch das Feuer und Gewehrschüsse. Um einmal sarkastisch zu sein: Wie viele dieser Leute, die in der fünftgrößten Stadt der USA einen Massenmord begingen, kamen dafür in den Todestrakt?

Frage: Als jemand, der einmal der bekannteste Gefangene im Todestrakt in den USA war – was sagst du zu den Bemühungen Trumps, mit aller Macht die Todesstrafe zurückzubringen?

Auch das ist wieder die Politik der Repression, ganz groß geschrieben und in Farbe. Trumps Justizministerium spricht auch von der Wiederinkraftsetzung der Todesstrafe für Menschen, deren Urteil, umgewandelt wurde. Wir befinden uns in einem Zeitalter des Wahnsinns. Der Wahnsinn erscheint mittlerweile normal, oder? Wenn man jedem Tag eine Dosis von Wahnsinn verabreicht bekommt, vergisst man nach einer Weile fast, wie wahnsinnig man ist und wie irrsinnig alles um einen herum ist, weil es normalisiert worden ist. (Lacht.) Es kann nur irrsinnig werden, weil es vor 30 Jahren mit einer Art von Irrsinn begann.

Frage: Was meinst du, wenn du sagst, „weil es vor 30 Jahren mit einer Art von Irrsinn begann“?

Wir hätten diesen gegen die Verfassung gerichteten Law-and-Order-Trumpismus nicht ohne den Clintonismus. Bill Clinton war der Pate der Masseneinkerkerung, und man kann nicht von der Erweiterung der Todesstrafe sprechen, ohne sie als eine Erweiterung der Masseneinkerkerung zu verstehen. Es hätte in den USA auch keine Masseneinkerkerung geben können, wenn in den 1990er Jahre nicht schon der Neoliberalismus die Ökonomie bestimmt hätte. Und der Neoliberalismus ist dem Wesen nach Konservatismus, weil es sich bei ihm um eine Ehe zwischen Staat und Konzernen handelt, was wiederum eine sehr treffende Definition für was ist? Faschismus. Er ist wie eine Art höflicher Faschismus. Er ist nicht so niederträchtig, aber er hat dasselbe Ziel und dieselbe Absicht. Wir hätten jetzt nicht den Ausnahmezustand des Trumpismus, wenn es nicht zuvor die Clinton/Biden-Gesetzesvorlagen zur Verbrechensbekämpfung und die gewaltige Expansion der Gefängnisse gegeben hätte, die den Weg dorthin gebahnt haben.

Frage: Leben wir jetzt unter dem Faschismus, ein Wort, von dem du weißt, dass es meiner Meinung nach in der Vergangenheit zu oft verwendet worden ist?

Ja, es ist Faschismus. Wir haben das Wort in den 1960ern wegen seines politischen Effekts verwendet. In Wirklichkeit benutzten wir es nicht, um unsere politische Analyse zu vertiefen, sondern um unsere Rhetorik aufzupeppen. Wir sind jetzt in einem anderen Zeitalter. Mein Verständnis von Faschismus hat immer besagt, dass er eine Ehe zwischen Staat und Unternehmen ist. Wenn man sich alles betrachtet, was um uns herum geschieht, wird diese Ehe immer wieder geschlossen. Die Konzerne sind in unserem politischen Leben die wichtigste Quelle der Macht. Die Gesetze werden für sie geschrieben, ganz gleich, worum es sich handelt. Und der Oberste Gerichtshof hat verkündet, dass Konzerne verfassungsmäßige Rechte haben und dass es sich bei ihnen letztlich um Personen handelt, die verfassungsmäßigen Schutz genießen.

Frage: Gibt es einen Weg, eine Bewegung aufzubauen, um diese faschistische Trump-Agenda zu besiegen?

Den Wellen der Repression muss mit Wellen des Widerstandes begegnet werden und wir haben es jetzt mit Wellen des Wahnsinns zu tun. Jede Bewegung wird die Jugend brauchen und die heutige Generation ist in vieler Hinsicht ganz wunderbar. Es ist die Jugend, die immer auf den Plan tritt und auf eine Art von „Freiheitsträumen“ spricht, wie es ihre Eltern nicht wagen. Wenn man jung ist – besonders, wenn man jung ist und ans College geht – ist das die freiste Zeit im Leben. Das eigene Gehirn wir auf eine Weise genährt, wie das in der Zeit an der Highschool nicht geschah und wie es in der Zeit nach dem College nicht mehr sein wird. Viele haben noch keine Kinder, sie sind nicht dem Druck einer Karriere oder eines Jobs ausgesetzt, und daher befinden sie sich auch nicht auf eine Weise unter der Knute, wie das bei einem Großteil der Arbeiter*innenklasse der Fall ist. Sie sind frei und sie können auf eine Art sprechen, die nicht nur von ihrem Willen, sondern von ihrem Herzen und ihrem Geist ausgeht, und daher sind sie in der Lage, wie niemand sonst klar zu sehen und zu rebellieren.


Man denke nur daran, was geschah, als eine 17-jährige in Minneapolis sich ihr Telefon schnappte und aufnahm wie ein Polizeibeamter jemanden direkt vor ihren Augen tötete. Sie verschickte es über Livestream und es ging um die ganze Welt. Wir erlebten die größten Demonstrationen seit Jahrzehnten und sie fanden überall auf der ganzen Welt statt. Es war, als reiste George Floyd rund um die Welt und ginge dabei von Telefon zu Telefon, und das löste eine bemerkenswerte Bewegung aus. Eine 17-jährige hatte das möglich gemacht. Ich finde diese jungen Leute wirklich unglaublich, und aufgrund dieses mächtigen Kommunikationsinstruments konnten sie Dinge tun, von denen Huey Newton und Eldridge Cleaver nur träumen, die sie aber nicht realisieren konnten! (Lacht.) Weil die Kommunikationsmittel sich verändert haben.

Frage: Du hast davon gesprochen, dass du Karl Marx zum ersten Mal im Alter von 41 Jahren gelesen hast. Vielleicht kannst du einmal davon sprechen, was der Marxismus als Analyse unseres gegenwärtigen Chaos zu bieten hat.

Als ich ein junger Panther war, versuchte ich, Marx zu lesen. Er war vollkommen unverständlich. Ich versuchte, Das Kapital zu lesen, aber ich kam nicht weiter als bis zur zweiten Seite. Es brachte mich zum Einschlafen! Aber Jahre später, als ich schon im Todestrakt war, nahm ich es mir noch einmal vor und ich lernte einige Dinge, die ein 14- oder 15-jähriger hätte unmöglich verstehen können, wenn er sich mit dieser Materie beschäftigte. Ich begann, die Kraft zu sehen, die darin lag, eine ökonomische Analyse zu haben, um zu verstehen, wie die Welt organisiert ist. Marx sagte, der Kapitalismus selbst sei eine revolutionäre Idee, die sämtliche chinesischen Mauern niederreißt. Er ist eine destruktive Kraft, die „Dingen“ einen Preis, aber nichts einen Wert zuschreibt. Diese wirtschaftliche Kontrolle über unsere Leben – und unsere Versklavung durch das Auf und Ab ökonomischer Krisen wird nicht aufhören, solange die Menschen nicht anfangen, auf neue Art nachzudenken. Dieser Punkt ist wichtig, weil der Kapitalismus Gangstertum in globalem Maßstab ist und weil man sich dem entgegenstellen muss.

Frage: Ja, jedes Mal, wenn es eine Krise gibt, zitieren sie Marx im Wall Street Journal.

(Lacht.) Was beweist, dass sie Marx lesen!

Frage: Sie sagen dann, „Wir stimmen mit der wirtschaftlichen Analyse des Kapitalismus überein und haben bloß etwas gegen den Teil mit der Revolution und dem Sturz des Systems!“

Genau. Aber sie kennen seine destruktive Macht, weil sie selbst Teil davon sind. Und wir sehen die Resultate eines Systems in einem permanenten Zustand der Krise jeden Tag: in der Welt und ganz gewiss in unserer Politik in diesem Land. Wir befinden uns inmitten einer weißen nationalistischen Konterrevolution in Washington. Denk einmal an all die Staatsangestellten, die jetzt angegriffen werden. Denkt da einer, die seien wirklich ein Haufen von linken Verrückten und Sozialisten und Liberalen? Nein. In Wirklichkeit sind sie konservativer als der Durchschnittsbeschäftigte, aber dieses Regime behandelte sie wie Müll, weil es Steuererleichterungen für die Ultrareichen durchsetzen wollte. Und sie behandelten diese Leute, die sich den Arsch abarbeiteten – diese Leute, die zur Schule gingen, um die Qualifikation für einen Job zu erwerben und dann ihr Bestes zu tun, um das Land zu unterstützen – wie Abfall. Man denke einmal daran, wie Leute heute über Lehrer reden. Einer der härtesten Jobs der Welt ist es, junge Leute zu unterrichten. Das ist eine der härtesten und eine der am schlechtesten bezahlten Arbeiten im Land. Und wenn man Politiker über Lehrer sprechen hört, reden sie über sie, als seien sie Dreck.

Frage: Aber warum hassen sie Lehrer so sehr?

Zum Teil, weil Lehrer einen gebildeten Teil der Arbeiter*innenklasse darstellen, der die Aussagen, die Politiker so von sich geben, kritisch infragestellt. Man denke an den Krieg gegen die Universitäten. Wahrscheinlich das Beste, was die Gesellschaft je im Bereich der höheren Bildung hervorgebracht hat. Faschismus ist leichter mit ungebildeten Arbeitskräften durchzusetzen. Trump hat gesagt: „Ich mag die Ungebildeten. Das sind meine Lieblingsleute.“ Vor ihm habe ich einen Politiker noch nie diese Worte sagen gehört. Aber er meint sie ernst! In meiner Zelle denke ich darüber nach, wie viele der Bewegungen der 1960er Jahre ihren Ursprung an Universitäten hatten – oder? Berkeley, San Francisco State, Columbia. Die Trumpisten befinden sich in einem permanenten Krieg gegen die 1960er Jahre, die wahrscheinlich freieste Zeit des 20. Jahrhunderts. Und sie befinden sich in einem Krieg mit der höheren Bildung, weil sie die Encampments für Palästina gesehen haben und so etwas in Zukunft nicht noch einmal sehen wollen.

Frage: Ich schreibe ja für Rolling Stone und du warst ja unter anderem auch Musikreporter. Ich weiß, dass du eines meiner Idole, Bob Marley, interviewt hast. Ich habe gehofft, du könntest ein bisschen darüber sprechen, wie das war.

Das war eines der bemerkenswertesten Interviews, die ich damals geführt habe. Mein jüngster Bruder, meine Frau und ich begaben uns zu einem großen Hotel in Center City, Philadelphia. Wir hatten mit Marleys Manager Arrangements getroffen und dann kamen wir hoch und da waren Rastas, die im Raum umherliefen und Reggae-Musik zuhörten , und im Schlafzimmer befand sich Robert Nesta Marley. Wir setzten uns hin und ich muss zugeben, dass er einen Riesen-Joint hervorzog, und ich schaltete mein 90-Minuten-Band an, um ihn aufzunehmen. Und er redete einfach immer weiter. Wir redeten in diesen 90 Minuten über alles auf der Welt, bis ich kein Band mehr hatte und wir dann noch einmal eine Stunde redeten. Es war zum Teil der Joint, den er bereitwillig mit uns teilte, aber noch mehr war es der weit offene globale Geist Bob Marleys. Es war bemerkenswert. Er erzählte uns einfach, wie er die Dinge sah. „Wenn ich nach Amerika komme, Mann, möchte ich hier Leute sehen, die rebellisch sind, Mann, Leute auf Rasta.“

Übersetzung: Team Abu-Jamal, Heidelberg/Berlin

Mi, 23.07.2025: Demo in Gedenken an Ferhat Mayouf – ausgegrenzt, kriminalisiert, ermordet – alle Knäste abschaffen!

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Am 23.07.2020 starb Ferhat Mayouf im Alter von 36 Jahren im Knast Moabit an einer Rauchvergiftung. Für uns steht fest: Das war Mord! Mord durch diesen Staat und seine rassistischen Institutionen.

Ferhat wurde wegen eines belanglosen Diebstahlvorwurfs festgenommen. Weil er keinen sicheren Aufenthalt hatte, kam er in U-Haft. Dort wurde er 23 Stunden am Tag in seiner Zelle eingesperrt. Seine Hilferufe nach medizinischer und psychologischer Versorgung wurden ignoriert. Stattdessen erfuhr er Demütigungen und Gewalt. Am Abend des 23.07. brach in seiner Zelle ein Feuer aus. Ferhat schrie um Hilfe. Anstatt schnell die Tür zu öffnen und ihn da rauszuholen, warteten die Wärter auf das Eintreffen der Feuerwehr. Zwanzig Minuten lang wurde er in seiner versperrten Zelle dem Feuer ausgeliefert. Zwanzig Minuten, die Ferhat das Leben gekostet haben.

Ausgegrenzt:

Im Knast landen vor allem Menschen, die von Armut, Rassismus, Abschiebungen, Wohnungslosigkeit, traumatischen Biographien und psychischen Krisen betroffen sind. Jene, die vor Krieg, Folter und Armut fliehen mussten, mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Aber auch jene, die ohne Ticket mit den Öffis gefahren sind oder sich notdürftig mit informellen Jobs oder Kleinkriminalität über Wasser halten.

Kriminalisiert:

Das bloße Dasein dieser Menschen wird kriminalisiert. Dafür nutzt der Staat unterschiedliche Mittel, zum Beispiel das Aufenthaltsrecht, um Menschen zu illegalisieren, oder die Polizei, die arme, rassifizierte Menschen, Obdachlose und Drogennutzer:innen von öffentlichen Plätzen vertreibt. Soziale Probleme, die der Kapitalismus hervorbringt, löst der Staat mit Gewalt, indem er die davon Betroffenen bekämpft und den Wohlstand und die Macht einiger Weniger schützt.

Kriminalisierung trifft aber nicht nur Arme und Marginalisierte, sondern auch all jene, die sich organisieren und für eine andere Gesellschaft einstehen. Genoss:innen aus der antifaschistischen, palästinasolidarischen, kurdischen, Klima- oder Antikriegsbewegung werden gnadenlos vom Staatsschutz gejagt, vor Gericht gezerrt und eingesperrt. So auch die Genossen Mehmet Karaca und Nanuk, die seit Monaten in der JVA Moabit sitzen.

Ermordet:

Wir sprechen von Mord, weil Menschen durch den Knast systematisch zum Tod gedrängt werden. Erniedrigung, Verelendung, fehlender Schutz, Gewalt und Folter sind dort Teil des Alltags und der Struktur. Zugleich ist das Suizidnarrativ ein beliebtes Mittel der Justiz, um jegliche Verantwortung oder gar aktive Mitschuld am Tod von Gefangenen abzustreiten.

Sie haben Ferhat Mayouf der Freiheit beraubt und ihn dann gegen seinen Willen sterben lassen. Das war Mord!

Am fünften Jahrestag dieses tödlichen Zellenbrands wollen wir erneut auf die Straße gehen, um Ferhat Mayouf zu gedenken und gegen die Verhältnisse zu protestieren, die zu seinem Tod geführt haben. Wir werden Mehmet Karaca, Nanuk und allen anderen Gefangenen in Moabit zeigen, dass wir sie nicht alleine lassen. Wir lassen nicht zu, dass der Tod von Ferhat in Vergessenheit gerät.

Kommt mit uns auf die Straße: Am 23.07.2025 um 18 Uhr am U-Bahnhof Turmstraße!

Kein Vergeben, kein Vergessen

Mumia Abu-Jamal: erneut Geburtstag im Gefängnis

Der indigene Aktivist Leonard Peltier kam im Februar 2025 nach knapp 50 Jahren Isolationshaft aus dem Gefängnis heraus – einige Monate nach seinem 80. Geburtstag, nachdem US-Präsident Biden kurz vor seinem Amtsende Peltiers Urteil in Hausarrest umgewandelt hatte.
Mumia Abu-Jamal, politischer Gefangener, Journalist und ehemaliger Pressesprecher der Black Panther Party wird heute (24. April 2025) seinen 71. Geburtstag wieder in Haft verbringen. Seit 1981 sitzt er im US Bundestaat Pennsylvania für einen untergeschobenen Mord an einem Polizisten, für den es keine haltbaren Beweise gibt. Seit mehreren Jahrzehnten entscheiden alle juristischen Ebenen des Bundestaates gegen ihn, obwohl es inzwischen
eine enorme Menge an Entlastungsbeweisen
für Mumia gibt. Mumias andauernde Haft ist zu einem Synonym der ungebrochenen White Supremacy, der mit aller Gewalt aufrecht erhaltenen weißen Vorherrschaft in den USA geworden. Auch wenn die revolutionäre Black Panther Party bereits vor Jahrzehnten von staatlicher Repression zerschlagen wurde, darf ihr ehemaliger Pressesprecher, der sich als Journalist den Ehrentitel „The Voice Of The Voiceless“ erarbeitete, nicht frei kommen.

Erst am 26. März 2025 wurde erneut eine Eingabe Mumias an die Gerichte abgelehnt. Diesmal handelte es sich um Mumias Berufung gegen das Urteil von Richterin Lucretia Clemens in Philadelphia vom 31. Marz 2023, mit dem sie Mumias 6. PCRA-Petition1 auf ein neues Verfahren oder zumindest eine neue Beweisanhörung ablehnte.

In der Petition hatte Mumia sich auf den Inhalt verspäteter Aktenfunde im Jahr 2018/19 berufen, aus denen hervorging, dass (1) ein Hauptbelastungszeuge nach Mumias Verurteilung beim Staatsanwalt fragte, wo sein Geld bleibe, (2) die andere Hauptbelastungszeugin von der Staatsanwaltschaft geschützt wurde und gegen sie anhängige Verfahren niedergeschlagen wurden, und (3) die Staatsanwaltschaft während der Juryauswahl systematisch die „Rasse“ der in Frage kommenden Geschworenen aufzeichnete.

Konkret ging es hier zum einen um den Taxifahrer Robert Chobert, der den Mumia zur Last gelegten Mord nachweislich nicht gesehen hatte und nun offenbar bei der Staatsanwaltschaft den Lohn für seine Falschaussage einklagte, zum anderen um die Sexarbeiterin Cynthia White, deren Verfahren wegen Prostitution offensichtlich im Gegenzug für ihre meineidigen Aussagen gegen Mumia niedergeschlagen wurden, und schließlich um Staatsanwalt Joseph McGill, der im Prozess sein Recht, bis zu 20 Geschworene ohne Angabe von Gründen abzulehnen, erwiesenermaßen systematisch zum Ausschluss Schwarzer Juror*innen verwendet hatte und, wie die Akten nun zeigten, zu diesem Zweck Notizen über die ethnische Zugehörigkeit der potentiellen Geschworenen gemacht hatte.

In ihrem Urteil vom 31. März 2023 nun war die Richterin groteskerweise zu dem Schluss gekommen, selbst wenn die Jury in Mumias Prozess von alldem gewusst hätte, wäre ihr Urteil auch nicht anders ausgefallen, da gegen Mumia noch so viel anderes Beweismaterial vorgelegen habe.

Abgesehen davon, dass letztere Behauptung schlicht unrichtig ist (für Details hierzu siehe unsere Broschüre „Tatortbesichtigung“ oder in Englisch – was soll man von einem Verfahren halten, bei dem der Staatsanwalt die Zeug*innen besticht und alles in seiner Macht Stehende tut, um für eine Jury zu sorgen, die so weiß wie möglich ist?

Der Richterin, die in den Monaten vor ihrem Urteil eine Weile lang geschwankt zu haben schien, war es am Ende wie so vielen Richtern und Gerichten vor ihr egal und sie entschied gegen Mumia. Im September 2024 bestätigte ein höheres Gericht, der Pennsylvania Superior Court, ihre Entscheidung. Dasselbe hat nun auch der Pennsylvania Supreme Court (PSC), das oberste Gericht des Bundesstaates Pennsylvania getan, bei dem Mumia eine weitere Berufung eingelegt hatte.

Die Verteidigung Mumias überlegt derzeit, was die nächsten rechtlichen Schritte sein werden, und wird die Mumia-Solidaritätsbewegung bald darüber unterrichten. Unterdessen geht der Kampf um Mumias Freilassung nicht nur vor den staatlichen Gerichten, sondern auch vor dem Gericht der weltweiten öffentlichen Meinung weiter. Mumia selbst fährt mit seiner Arbeit als Autor und Journalist auch im Alter von über 70 unbeirrt fort – jüngstes Ergebnis ist das gemeinsam mit Jennifer Black herausgegebene Buch Beneath the Mountain. An Anti-Prison Reader,2 das Texte von Gefangenen gegen das Gefängnis und die Sklaverei in ihrer traditionellen und aktuellen (Stichwort Masseninhaftierung und Gefängnisindustrie in den USA) Form aus 200 Jahren versammelt und letzten Dezember und Januar auch mit großem Anklang in Berlin vorgestellt wurde.

Vielleicht wird es möglich sein, Mumia zu seinem 72. Geburtstag im Jahr 2026 eine deutsche Ausgabe dieses Buches zu präsentieren. Dass seine Bücher, Reden und Artikel nicht ohne Wirkung bleiben, zeigen unter anderem die Repressionsmaßnahmen, mit denen ihn die Gefängnisaufsicht in der Haftanstalt SCI Mahanoy derzeit überzieht. Die Gefängnisleitung hat angeordnet, dass Gefangene nur noch sehr wenig Material in ihrer Zelle lagern dürfen. Mumia Abu-Jamal, der mitten in einer PhD Abschlussarbeit über Frantz Fanon im Fach Gesellschaftswissenschaften an der UCLA (University of California, Los Angeles) steckt, musste nun alle seine Bücher und Unterlagen abgeben. Zwar hat er sie an Prison Radio schicken können, damit sie nicht verloren gehen. Aber nun muss er für jede einzelne Textstelle oder Zitat dort nachfragen, um weiter an seiner Arbeit zu schreiben. Auch seine Recherche für Artikel und Radiokommentare wird dadurch zusätzlich erschwert.

Free Mumia Berlin hat zu seinem Geburtstag Postkarten mit einem Solidaritätstransparent vor der US Botschaft in Berlin gedruckt, die gerne per E-Mail bestellt und an Mumia abgeschickt werden können. Jede Karte, jeder Brief zeigt dem Knast und der Justiz, dass Mumia auch nach über 43 Jahren Haft nicht vergessen ist und sofort freigelassen werden muss.

FREE MUMIA – FREE THEM ALL!

1 Post-Conviction Relief Act, ein Gesetz zur Überprüfung von Urteilen auf einzelstaatlicher Ebene.

2 Siehe die Besprechung von Ron Jacobs, „Eine permanente Knechtschaft“, junge Welt, 2. Dezember 2024.

Tag der politischen Gefangenen – 18. März: Jennifer Black über Gefängnisabolitionismus (dt/engl)

Am Tag der politischen Gefangenen (18. März)veröffentlichte Free Mumia Berlin folgenden Veranstaltungsmitschnitt aus dem Januar 2025, als Jennifer Black, Genossin und Co-Autorin von Mumia Abu-Jamal einen Einstiegsvortrag über die Idee des Gefängnisabolitionismus in Berlin hielt. Dabei fällt auf, dass im Unterschied zu Aktivist*innen draußen kämpfende Gefangene die Freiheitsforderung für politische Gefangene und die generelle Abschaffung von Gefängnissen oft zusammen denken.

Der Veranstaltungsmitschnitt ist hier hörbar/You can listen to the event recording here:
https://archive.org/details/2025-01-12-va-jennifer-black-dt-engl-pt-01

bilingual audio: for english description please scrowl down

Am 12. Januar 2025 besuchte Jennifer Black Berlin und berichtete von ihrem gemeinsam mit dem politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal heraus gegebenes Buch „Beneath The Mountain“, was Autor*innen aus über 200 Jahren Kampf gegen Sklaverei und Gefängnisse in den USA gesammelt hat. Ausgehend von dieser Arbeit beschreibt sie den aktuellen Gefängnisabolitionismus in den USA.

On January 12, 2025, Jennifer Black visited Berlin and reported on her book “Beneath The Mountain”, co-published with political prisoner Mumia Abu-Jamal, which has collected authors from over 200 years of struggle against slavery and prisons in the USA.
Based on this work, she describes the current prison abolitionism in the USA.

Lasst uns Leonard Peltier befreien!

Do, 23. Januar 2025 – Infoabend in Zielona Goras T.o.N

Leonard Peltier ist Ojibway (Chippewa) Lakota und Überlebender des Kinder- und Jugendinternatsprogramms zur Vernichtung indigener Lebensweisen in den USA. Seit 1976 ist er politischer Gefangener der US Regierung, weil er sich an Abwehrkämpfen gegen Umweltzerstörung (Uranabbau) und tödliche rassistische Gewalt in der Pine Ridge Reservation beteiligt hat. Als Mitglied des American Indian Movement (AIM) gelang es ihm zusammen mit anderen Anfang der 1970er Jahre zum ersten Mal, die mörderische Kolonialisierung der Americas in den USA breit in Frage zu stellen.

Generationen Indigener haben sich infolge dessen gegen Unterdrückung, Vertreibung und Vernichtung organisiert und behaupten können. Leonard Peltier ist ein weithin geehrter „Elder“ der indigenen Gemeinden.
Inzwischen ist er 80 Jahre alt und gesundheitlich schwer von der langen Isolationshaft gezeichnet. Er ist krank und haftunfähig. Weltweit als auch in Berlin gibt es seit vielen Jahren Unterstützung für die Forderung aller indigenen Gemeinden der USA, Leonard Peltier endlich freizulassen.

In der Veranstaltung werden wir über sein Leben berichten und überlegen, was wir hier in Berlin konkret weiter machen können, um ihn zu befreien.

Free Leonard Peltier – Free them All!

Eine Veranstaltung von Free Them All Berlin & T.o.N. im Zielona Gora


weitere Infos

Do. 23. Januar 2025 – 20:00 Uhr
Stadtteilladen Zielona Góra
Grünberger Str. 73
10243 Berlin-Fhain

Berlin: 30 Unterstützer*innen für Mumia am 43. (!) Haftjahrestag vor US Botschaft

Heute, am 9. Dezember 2024 ist der 43. (!) Haftjahrestag des kämpfenden Gefangenen Mumia Abu-Jamal aus den USA. Vor 43 Jahren wurde er von dem Polizisten Daniel Faulkner niedergeschossen, von dessen Kollegen anschliessend schwer gefoltert und später auch noch im Krankenhaus geschlagen. Absurderweise wurde er allerdings für einen Mord an Daniel Faulkner angeklagt, für den es a) keine Beweise gibt und b) der von jemand anderem begangen wurde, wie nicht nur der Polizei bekannt ist.

Vor seiner Festnahme war Mumia Vorsitzender der afroamerikanischen Journalist*innenvereinigung gewesen und hatte sich als Reporter den Ehrentitel „Voice Of The Voiceless“ verdient, in dem er Rassismus, tödliche Polizeigewalt und korrupte Praktiken in der Sozialpolitik Philadelphias aus Sicht der Betroffenen schilderte, sie in großen Medien zu Wort kommen liess.

Er wurde 1982 in einem politischen Schauverfahren zum Tod verurteilt und verbrachte bis Ende 2011 in der Isolationshaft von Pennsylvanias Todestrakten. Der US Supreme Court erkannte an, dass sein Verfahren nicht fair gelaufen war und dass das Urteil nicht „rechtsstaatlich“ zu Stande gekommen war. Allerdings liessen sie ihn nicht frei oder wiederholten das Verfahren, sondern „begnadigten“ ihn zu „Death By Incarceration“ (DBI, Tod durch Einkerkerung = Lebenslänglich ohne Bewährung). Verschiedene Anläufe, sein Verfahren mit neuer Beweislage oder auch z.T. seit 1982 unterschlagenen entlastenden Beweisen neu aufzurollen, werden bis heute aktiv von der Justiz des US Bundesstaates Pennsylvania blockiert. Alle Beteiligten wissen: sollte Mumia noch einmal in einem Gerichtssaal vor Geschworenen sitzen und alles heute Bekannte entsprechend gewürdigt werden, käme er frei. Deshalb wollen sie die Entscheidung über ein neues Verfahren so weit wie möglich in die Länge ziehen und hoffen, dass er inzwischen an seinen alters- und haftbedingten schweren Erkrankungen stirbt.

Genau das wollen viele Menschen in den USA und anderen Ländern jedoch nicht akzeptieren. Mumia ist nicht nur ein brillianter Autor und Kommentator gesellschaftlicher Verhältnisse. Er ist fester Bestandteil der afroamerikanisch geprägten abolitionistischen Bewegung, die die seit der Kolonialzeit bestehende „White Supremacy“ in den USA auf allen Ebenen abschaffen wird. Trumps aktueller Wahlerfolg ist nicht von ungefähr eine agressive Trotzreaktion auf das untere Drittel des Landes, welches nie damit einverstanden war, den Rassismus und den Ausschluß von Teilhabe hinzunehmen.

In verschiedenen Redebeiträgen von Free Mumia Berlin und der Roten Hilfe ging es detailliert um die Masseninhaftierung im sog. „Land of the Free“, die gesellschaftliche Orndungsfunktion der Todesstrafe als rassistisches Terrorinstrument der Herrschenden, den Zusammenhang von Alter, Gesundheit und Haft, die sexistische Gewalt in föderalen Frauengefängnissen, den Widerstand der momentan ca. 1,8 Millionen Gefangenen und die konkrete Frage, was von außerhalb der Gefängnisse gemacht werden kann, um die reale Abschaffung der Sklaverei in den USA zu erreichen. Einige der Redebeiträge sind als PDF in einem Bericht auf Indymedia beigefügt.

Vor Ort wurden auch Postkarten an Mumia und Leonard Peltier geschrieben und laute Parolen gerufen, die die 30 Teilnehmenden auf dem Pariser Platz fast mehr erschienen liessen, als es waren.

Am Ende machten wir ein Soli-Foto für Mumia und seine Unterstützer*innen in den USA. Mumia selbst sprach über eine Aufnahme von Prison Radio über seine neueste Buchveröffentlichung, den Anti-Knast-Reader „Beneath The Mountain“.

Am Sonntag, den 12. Januar 2025 wird Jennifer Black, Mumias Genossin und Co-Herausgeberin von „Beneath The Mountain“ in Berlin sein. Sie wird das Buch vorstellen und über den Abolitionismus in den USA berichten. Die Veranstaltung wird in english und deutsch sein und im Mieterladen, Kreutzigerstr. 23 in 10247 Berlin-Friedrichshain (U5-Samariterstr) stattfinden.

We Want Mumia FREE FREE FREE – We Want Mumia FREE FREE FREE !
Brick by Brick, wall by Wall – Free Mumia – Free Them All !

Dringende Schreibaktion für Leonard Peltier, seit 1976 politischer Gefangener in den USA

Der indigene Aktivist Leonard Peltier hatte im Herbst 2024 seinen 80. Geburtstag. Seit 1976 ist er Gefangener der US Regierung. Er wurde der Beihilfe zum Mord an zwei FBI Beamten verurteilt, für den es keine Beweise gibt. Vielmehr ist das Urteil eher eine Täter/Opfer Umkehr, denn es waren FBI Beamte, die in Zivil und ohne Vorwarnung das Feuer auf eine Gruppe Indigener eröffnete und dabei einen Gefährten von Peltier erschossen. Über den „Fall“ Leonard Peltier ist vermutlich genauso viel geschrieben worden wie über den des afroamerikanischen Journalisten und ebenfalls politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal.

Beide sind seit Jahren von der langen Haft medizinisch stark angegriffen. Peltier, der u.a. unter einer Aorta Aussackung leidet, brach am 28. Oktober 2024 bewußtlos in einer Isolationshaftzelle zusammen. Erstaunlicherweise wurde er zum Checkup in ein Krankenhaus gebracht, allerdings wurde dort keine Ursachen ermittelt. Nach wenigen Tagen ging es für ihn zurück in das Hochsicherheitsgefängnis Coleman I in Florida, USA.

Unabhängig vom Ausgang der Wahlen hat der scheidende US Präsident Biden die Möglichkeit, föderale, also Regierungsgefangene bis zur Amtseinführung im Januar frei zu lassen. Natürlich ist Biden nicht für Humanität, antirassistische Grundhaltung oder Fairness gegenüber People of Color bekannt. Aber auch in den USA funktioniert nichts ohne öffentlichen Druck, bekannterweise auch in Gefangenenkämpfen. Daher rufen viele indigene Unterstützer*innen Peltiers auf, Noch-Präsident Biden von jetzt bis zur Winterferienzeit mit Postkarten und Briefen einzudecken, um darin die Freilassung des über 80-jährigen Gefangenen aus humanitären Gründen zu fordern.

Die Adresse ist:

The White House
President Joe Biden
1600 Pennsylvania Avenue
Washington, DC 20500
United States of America

Eine Postkarte in die USA kostet derzeit 95 Cent, ein Standardbrief 1,10 Euro (Maße Länge: bis 23,5 cm / Breite: bis 12,5 cm / Höhe: bis 0,5 cm – z.B. DIN lang oder C6 Umschlag / Gewicht bis 20 g).

In Berlin liegen ab Donnerstag (7.11.) vorgedruckte Postkarten im Buchladen Schwarze Risse. Die Leonard Peltier Solidaritätsgruppe Rhein/Main verschickt diese vorgedruckten Karten auch gerne auf Anfrage.

Lasst die Stifte kreisen und überflutet das Weisse Haus mit Post für die Freilassung von Leonard Peltier!

Free Leonard Peltier – Free Them All!

weitere Infos:
https://www.leonardpeltier.de/
https://freethemallberlin.nostate.net/

Berlin 12. Sep 24: Freiheit für Leonard Peltier

Kundgebung an seinem 80. Geburtstag

Do. 12. September 2024 – 18:30 Uhr – US Botschaft – Pariser Platz 2/Brandenburger Tor

Der American Indian Movement (A.I.M.) Aktivist Leonard Peltier befand sich 1975 in der Pine Ridge Reservation, um die Bevölkerung gegen den derzeitigen Terror der dortigen Paramiliz zu unterstützen und wurde unter konstruierten Vorwürfen für einen angeblichen Mord am 6. Februar 1976 verhaftet und kurz darauf ohne stichhaltige Beweise verurteilt. Er wird seit inzwischen 48 Jahren als politischer Gefangener in verschiedenen US-amerikanischen Hochsicherheitsgefängnissen festgehalten.

Seine Verhaftung und die Repression gegen A.I.M. waren Teil des sogenannten COINTELPRO Programmes der US-Bundespolizei FBI, die die Zersetzung und Zerschlagung der damals starken Protestbewegungen (u.a. auch der Black Panther Party) mit geheimdienstlichen und damals noch illegalen Mitteln betrieb.

Leonard Peltiers Verurteilung zu zwei Mal lebenslänglicher Haft war nur in Folge der Bedrohung mehrerer Zeug*innen, welche ihre Aussagen später widerriefen, massiver Beeinflussung der Geschworenen und erfundener, heute als falsch nachgewiesener Beweise möglich.

Leonard Peltier hat mittlerweile eine längere Zeit seines Lebens hinter Gittern verbracht als in Freiheit. Er leidet seit etlichen Jahren unter teils schwerwiegenden Erkrankungen, darunter Zahn- und Kieferproblemen, Diabetes, Bluthochdruck, einem Aneurysma (was durch eine Operation behoben werden könnte und seit Jahren verweigert wird) und einem rasch nachlassenden Sehvermögen. 2017 musste er sich einer schwierigen Herz-OP unterziehen und 2022 überlebte er eine Covid-Erkrankung. Er hat kaum noch Kraft in den Armen und benötigt eine Gehhilfe, sowie ein Gerät zur Atemunterstützung. Eine adäquate medizinische Behandlung existiert nicht. Seine Situation ist seit vielen Jahren mehr als alarmierend und vor allem lebensbedrohlich!

Am 2. Juli 2024 lehnte die föderale Bewährungskommission eine Haftentlassung von Leonard Peltier nach über 48 (!) Jahren Gefangenschaft ab. Peltier hatte 15 Jahre auf den Termin zur Bewährungsanhörung warten müssen. Die Kommission verweigerte fast allen seinen Unterstützer*innen für ihn zu sprechen. Unter den Ausgeschlossenen war sogar ein an seinem Verfahren beteiligter ehemaliger Staatsanwalt, der Peltiers Verurteilung inzwischen als großen Fehler ansieht. Gehört wurden jedoch wieder nur die uralten Falschbehauptungen der Bundespolizei FBI. In Anbetracht seiner gesundheitlichen Situation und in Kombination mit der medizinischen Nicht-Behandlung, ist die Ablehnung der Bewährung eine Todesstrafe mit anderen Mitteln“, welche das FBI in ihrem Rachefeldzug verfolgt.

Das nur wenige Monate vor seinem 80. Geburtstag am 12. September. Trotz der Isolation und der widrigen Umstände hat Leonard Peltier nicht aufgegeben und kämpft weiter!

Wir fordern Leonard Peltiers Freilassung sowie das Selbstbestimmungsrecht und die umfassende Entschädigung der amerikanischen Ureinwohner*innen!

Wir fordern die medizinische Behandlung aller Gefangenen sowie die sofortige Freilassung aller schwerkranken Gefangenen!

Für eine befreite Gesellschaft, die keine Knäste mehr benötigt!

Free Them All Berlin

freethemallberlin.nostate.net

Schreibt Leonard Peltier! Macht ihm und der Gefängnisbehörde deutlich, dass ihr über ihn Bescheid wisst und seinen Kampf um Freiheit unterstützt.

LEONARD PELTIER #89637-132
USP COLEMAN I
U.S. PENITENTIARY
P.O. BOX 1033
COLEMAN, FL 33521
USA

Verweise: