Mumia Abu-Jamal: erneut Geburtstag im Gefängnis

Der indigene Aktivist Leonard Peltier kam im Februar 2025 nach knapp 50 Jahren Isolationshaft aus dem Gefängnis heraus – einige Monate nach seinem 80. Geburtstag, nachdem US-Präsident Biden kurz vor seinem Amtsende Peltiers Urteil in Hausarrest umgewandelt hatte.
Mumia Abu-Jamal, politischer Gefangener, Journalist und ehemaliger Pressesprecher der Black Panther Party wird heute (24. April 2025) seinen 71. Geburtstag wieder in Haft verbringen. Seit 1981 sitzt er im US Bundestaat Pennsylvania für einen untergeschobenen Mord an einem Polizisten, für den es keine haltbaren Beweise gibt. Seit mehreren Jahrzehnten entscheiden alle juristischen Ebenen des Bundestaates gegen ihn, obwohl es inzwischen
eine enorme Menge an Entlastungsbeweisen
für Mumia gibt. Mumias andauernde Haft ist zu einem Synonym der ungebrochenen White Supremacy, der mit aller Gewalt aufrecht erhaltenen weißen Vorherrschaft in den USA geworden. Auch wenn die revolutionäre Black Panther Party bereits vor Jahrzehnten von staatlicher Repression zerschlagen wurde, darf ihr ehemaliger Pressesprecher, der sich als Journalist den Ehrentitel „The Voice Of The Voiceless“ erarbeitete, nicht frei kommen.

Erst am 26. März 2025 wurde erneut eine Eingabe Mumias an die Gerichte abgelehnt. Diesmal handelte es sich um Mumias Berufung gegen das Urteil von Richterin Lucretia Clemens in Philadelphia vom 31. Marz 2023, mit dem sie Mumias 6. PCRA-Petition1 auf ein neues Verfahren oder zumindest eine neue Beweisanhörung ablehnte.

In der Petition hatte Mumia sich auf den Inhalt verspäteter Aktenfunde im Jahr 2018/19 berufen, aus denen hervorging, dass (1) ein Hauptbelastungszeuge nach Mumias Verurteilung beim Staatsanwalt fragte, wo sein Geld bleibe, (2) die andere Hauptbelastungszeugin von der Staatsanwaltschaft geschützt wurde und gegen sie anhängige Verfahren niedergeschlagen wurden, und (3) die Staatsanwaltschaft während der Juryauswahl systematisch die „Rasse“ der in Frage kommenden Geschworenen aufzeichnete.

Konkret ging es hier zum einen um den Taxifahrer Robert Chobert, der den Mumia zur Last gelegten Mord nachweislich nicht gesehen hatte und nun offenbar bei der Staatsanwaltschaft den Lohn für seine Falschaussage einklagte, zum anderen um die Sexarbeiterin Cynthia White, deren Verfahren wegen Prostitution offensichtlich im Gegenzug für ihre meineidigen Aussagen gegen Mumia niedergeschlagen wurden, und schließlich um Staatsanwalt Joseph McGill, der im Prozess sein Recht, bis zu 20 Geschworene ohne Angabe von Gründen abzulehnen, erwiesenermaßen systematisch zum Ausschluss Schwarzer Juror*innen verwendet hatte und, wie die Akten nun zeigten, zu diesem Zweck Notizen über die ethnische Zugehörigkeit der potentiellen Geschworenen gemacht hatte.

In ihrem Urteil vom 31. März 2023 nun war die Richterin groteskerweise zu dem Schluss gekommen, selbst wenn die Jury in Mumias Prozess von alldem gewusst hätte, wäre ihr Urteil auch nicht anders ausgefallen, da gegen Mumia noch so viel anderes Beweismaterial vorgelegen habe.

Abgesehen davon, dass letztere Behauptung schlicht unrichtig ist (für Details hierzu siehe unsere Broschüre „Tatortbesichtigung“ oder in Englisch – was soll man von einem Verfahren halten, bei dem der Staatsanwalt die Zeug*innen besticht und alles in seiner Macht Stehende tut, um für eine Jury zu sorgen, die so weiß wie möglich ist?

Der Richterin, die in den Monaten vor ihrem Urteil eine Weile lang geschwankt zu haben schien, war es am Ende wie so vielen Richtern und Gerichten vor ihr egal und sie entschied gegen Mumia. Im September 2024 bestätigte ein höheres Gericht, der Pennsylvania Superior Court, ihre Entscheidung. Dasselbe hat nun auch der Pennsylvania Supreme Court (PSC), das oberste Gericht des Bundesstaates Pennsylvania getan, bei dem Mumia eine weitere Berufung eingelegt hatte.

Die Verteidigung Mumias überlegt derzeit, was die nächsten rechtlichen Schritte sein werden, und wird die Mumia-Solidaritätsbewegung bald darüber unterrichten. Unterdessen geht der Kampf um Mumias Freilassung nicht nur vor den staatlichen Gerichten, sondern auch vor dem Gericht der weltweiten öffentlichen Meinung weiter. Mumia selbst fährt mit seiner Arbeit als Autor und Journalist auch im Alter von über 70 unbeirrt fort – jüngstes Ergebnis ist das gemeinsam mit Jennifer Black herausgegebene Buch Beneath the Mountain. An Anti-Prison Reader,2 das Texte von Gefangenen gegen das Gefängnis und die Sklaverei in ihrer traditionellen und aktuellen (Stichwort Masseninhaftierung und Gefängnisindustrie in den USA) Form aus 200 Jahren versammelt und letzten Dezember und Januar auch mit großem Anklang in Berlin vorgestellt wurde.

Vielleicht wird es möglich sein, Mumia zu seinem 72. Geburtstag im Jahr 2026 eine deutsche Ausgabe dieses Buches zu präsentieren. Dass seine Bücher, Reden und Artikel nicht ohne Wirkung bleiben, zeigen unter anderem die Repressionsmaßnahmen, mit denen ihn die Gefängnisaufsicht in der Haftanstalt SCI Mahanoy derzeit überzieht. Die Gefängnisleitung hat angeordnet, dass Gefangene nur noch sehr wenig Material in ihrer Zelle lagern dürfen. Mumia Abu-Jamal, der mitten in einer PhD Abschlussarbeit über Frantz Fanon im Fach Gesellschaftswissenschaften an der UCLA (University of California, Los Angeles) steckt, musste nun alle seine Bücher und Unterlagen abgeben. Zwar hat er sie an Prison Radio schicken können, damit sie nicht verloren gehen. Aber nun muss er für jede einzelne Textstelle oder Zitat dort nachfragen, um weiter an seiner Arbeit zu schreiben. Auch seine Recherche für Artikel und Radiokommentare wird dadurch zusätzlich erschwert.

Free Mumia Berlin hat zu seinem Geburtstag Postkarten mit einem Solidaritätstransparent vor der US Botschaft in Berlin gedruckt, die gerne per E-Mail bestellt und an Mumia abgeschickt werden können. Jede Karte, jeder Brief zeigt dem Knast und der Justiz, dass Mumia auch nach über 43 Jahren Haft nicht vergessen ist und sofort freigelassen werden muss.

FREE MUMIA – FREE THEM ALL!

1 Post-Conviction Relief Act, ein Gesetz zur Überprüfung von Urteilen auf einzelstaatlicher Ebene.

2 Siehe die Besprechung von Ron Jacobs, „Eine permanente Knechtschaft“, junge Welt, 2. Dezember 2024.