Redebeitrag auf Free Mumia – Free Them All Demonstration am 24. April 2024
Albert Camus verfasste bereits 1955 den Essay “Die Guillotine. Betrachtungen zur Todesstrafe“. Er setzt sich in dem Essay mit dem Argument auseinander, die Todesstrafe hätte eine abschreckende Wirkung. Er erhebt starken Zweifel an deren Abschreckungswirkung. Drei wesentliche Gegenargumente führte er hierbei an:
- Glaube die Gesellschaft selbst nicht an den Abschreckungseffekt.
- Gibt es keinen Beweis dafür, dass Menschen, die den Entschluss zum Morden gefasst haben, sich durch die drohende Todesstrafe von ihrem Vorhaben abbringen ließen.
- Ermögliche die Vollstreckung der Todesstrafe die Befriedung widerlicher Gelüste.
Die Todesstrafe ist keine Antwort auf Mord und brutale Gewalt. Wo sich der Staat zum Richter über Leben und Tod aufschwingt, nimmt nicht Gerechtigkeit ihren Lauf, sondern Rache und Vergeltung – und in vielen Fällen stehen hinter den Urteilen auch völlig andere Motive, z.B. politisch repressive, rassistische und klassistische Gründe zur Sicherung von Herrschaft.
Das viel bemühte autoritäre Argument, Angehörige von Mordopfern könnten so zu einem Abschluß ihrer Trauer kommen, ist viele Male widerlegt worden. In den vergangenen Jahren haben wir gerade in den USA gesehen, dass viele Angehörige sich gegen Hinrichtungen aussprechen und sich an die Seite der Gefangenen gestellt haben. Oft lautete ihr Ruf an den Staat: „Not in my name!“
Die Todesstrafe ist in jedem Land, in dem sie angewandt wird, nichts anderes als ein Terrorinstrument gegen die eigene Bevölkerung. In den USA dient sie vor allem dazu, die aus der Sklaverei entstandene Vormachtstellung der weißen Bevölkerung zu sichern. Angeklagte mit geringem oder gar keinem Einkommen und Herkunft aus gesellschaftlichen Minderheiten sind völlig chancenlos. 2/3 aller Todestrakt Gefangenen in den USA sind People Of Color, obwohl sie insgesamt gerade einmal 20% der US Bevölkerung ausmachen.
Mumia Abu-Jamal fordert uns auf, uns Gedanken über den Zusammenhangvon Freiheit und Unfreiheit zu machen, über das Missverhältnis bei der Anwendung der Todesstrafe nachzudenken. Mumia hat immer wieder darauf hingewiesen, dass wir hier draußen in der sogenannten „freien Gesellschaft“ von dem System staatlicher Gewalt, das sich auf Einkerkerung und Todesstrafe zur Aufrechterhaltung der Herrschaft stützt, nicht unberührt bleiben. Der momentane autoritäre Sog fördert dabei die „niederen Gelüste“, von denen Camus bereits 1955 sprach: so entschied das Oberste Gericht des US Bundesstaates Arizona im Mai 2022, dass es legal sei, Gefangene auch mit Zyklon B in einer Gaskammer hinzurichten.
So kommt zu der Folter des Giftspritzencocktails, des elektrischen Stuhls und der Erschießungskomandos erneut eine Methode ins Spiel, mit der Nazi-Deutschland Millionen Jüdinnen und Juden, Sinti, Roma und Gegner*innen in Konzentrationslagern ermordet hat. Wir haben den weltweiten Aufschrei darüber im Sommer 2022 stark vermisst – und vermissen ihn bis heute.
Wir wissen, dass die Verbrechen des Kolonialismus überall auf der Welt lange Schatten werfen und die dort verübten Brutalitäten durch Erniedrigungen und Massenmord die Wege für die Verteilung des Reichtums von unten nach oben geebnet haben und dass dieser Zustand bis heute anhält. Der Kampf gegen die Todesstrafe und gegen die Hinrichtung einzelner Gefangener ist immer auch ein Kampf gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg, gegen all die Lügen, die wir uns täglich anhören müssen. Es ist der Kampf für Glück und Freiheit für alle. Das gilt in den USA genauso wie in China, Iran, Ägypten, Saudi-Arabien oder Japan, um nur einige der Henker*innenstaaten zu nennen.
Wir rufen euch daher auf, Gefangene in Todestrakten direkt zu unterstützen: lasst uns die z.B. die Hinrichtungen von Rodney Reed in Texas oder Keith Lamar in Ohio verhindern!
Keith Lamars Hinrichtung in Ohio wurde vor kurzem wg. Lieferschwierigkeiten der Hinrichtungspharmaka auf 2027 verschoben. Rodney Reed in Texas ist noch immer bedroht. Bei ihm sieht sogar alles danach aus, als ob die Polizei ihn damals wissentlich beschuldigte, um damit einen ihrer Kollegen zu schützen, der mit großer Wahrscheinlichkeit einen Mord begangen hat. Beide Exekutionen können mit entsprechendem Druck verhindert werden. Achtet auf Ankündigungen und tretet mit uns in Kontakt, wenn ihr dazu beitragen wollt.
Sklaverei und Lynchjustiz endgültig abschaffen!
Weg mit der Todesstrafe – überall!